Ludwig van Beethoven - "Meisterwerke"Box mit 60 CDs in Wallets plus E-Booklet und Libretti auf CD-Romvon Rainer Aschemeier • 6. Mai 2007 Der eine wird begeistert sein, der nächste entsetzt: In das seit einiger Zeit beliebte „Bitte alles auf einmal“-Programm des niederländischen Wiederverwertungslabels Brilliant Classics steigen jetzt offenbar die Majors ein. Warum auch nicht? Brilliant hatten mit Komplettausgaben des Gesamtwerks von Bach (auf 155 CDs) und Mozart (auf 170 CDs) Riesenerfolge erzielt. Ein „Best Of“-Beethoven-Programm auf 40 CDs hatten die Holländer auch schon vorgelegt. Der Schritt zum kompletten Beethoven, den man auf etwa 85 CDs realisieren kann, ist da perse nicht mehr weit. Bevor aber Brilliant Classics wieder dazu kam erneut in die Schatzkisten der schmählich vergessenen Edel-Aufnahmen von einst zu tauchen, um diese zur Box-Entstehung zu heben, drehte Sony BMG den Spieß einfach um und öffnet nun den Zugang zu eigenen Schätzen im Rahmen der Beethoven „Meisterwerke“-Box auf immerhin 60 CDs. Die Frage „Was bekommt man da?“ kann in einem solchen Falle naturgemäß in zwei Kategorien beurteilt werden: Quantität und Qualität. Zunächst zur quantitativen Seite: Enthalten sind die Symphonien, die Instrumentalkonzerte (inkl. Tripelkonzert), die Ouvertüren, Die Ballettmusik zu „Die Geschöpfe des Prometheus“, Die Oper „Fidelio“, die Klaviersonaten, die Diabelli-Variationen, etliche Bagatellen (inkl. „Für Elise“), die Streichquartette und -trios, die Klaviertrios, die Violinsonaten und Cellosonaten, diverse Kammermusik-Outtakes (z. B. Septett in Es-Dur op. 20), die „Chorfantasie“, „Wellingtons Sieg bei Vittoria“, „Meeresstille und Glückliche Fahrt“, die Messe op. 86, die „Missa Solemnis“, das selten gehörte Oratorium „Christus am Ölberge“ und noch einiges an Gelegenheitswerken (Tänze, Konzertarien, Sonatinen, Fragmente eines nicht beendeten Violinkonzerts, ein Jugendwerk: Das „nullte“ Klavierkonzert, usw.). Nach der erschöpfenden Auflistung des „Wieviel“ kommt nun das „Wie gut“. Hier reicht die Palette der Beethoven-Box – ähnlich wie beim Low Budget-Konkurrenten Brilliant Classics – von „bescheiden“ bis „konkurrenzlos“. Die Einspielungen der 60 CDs rekrutieren sich aus Aufnahmen von den Sony BMG-Labels „RCA“, „Sony Classics“ sowie „Arte Nova“. „Bescheiden“ – keine Überraschung – sind vor allem die Endfünfziger-Aufnahmen von Vladimir Horowitz, der sich an Beethovens „Waldstein“-Sonate vergeht. Horowitz, der „donnernde Virtuose“ (so sein Spitzname in den USA), wollte als Virtuose Karriere machen und musste daher eben auch Beethoven im Programm haben. Für Horowitz war Beethoven aber keine Leidenschaft sondern ein „notwendiges Übel“ – und so spielt er ihn auch. Ebenfalls sehr bescheiden (leider) ist die Gesamteinspielung der Ouvertüren durch das ansonsten sehr gute Beethoven-Team Tonhalle-Orchester Zürich und David Zinman. Die meisten CDs der Sammlung rangieren im Qualitätssegment „Gut“. Dazu zählen u. a. die guten Aufnahmen der Streichquartette durch das „Alexander Quartett“, die ebenfalls guten CDs der Klaviertrios durch das Seraphin Trio, die meisten Klaviersonaten (im Wechsel von Robert Casadesus, Yukio Yokoyama, Justus Frantz, Gerhard Oppitz, Charles Rosen und eben Horowitz eingespielt und außer Horowitz und Frantz durchweg gut), „Fidelio“ in einer soliden Frühachtziger-Aufnahme des Gewandhausorchesters unter Kurt Masur sowie diverse Gelegenheitswerke mit Orchestern wie z. B. den Wiener Philharmonikern unter Lorin Maazel, dem London Symphony Orchestra unter Michael Tilson Thomas, dem New York Philharmonic Orchestra unter Thomas Schippers, usw. Wirklich prima und einem „Sehr gut“ würdig ist die Gesamtaufnahme des selten gehörten Beethoven-Balletts „Die Geschöpfe des Prometheus“ mit dem Litauischen Kammerorchester unter dem Dirigat des bekannten Karajan-Schülers und ehemaligem Gastdirigent „in residence“ des London Philharmonic Orchestra: Karl Anton Rickenbacher. Ebenfalls prima: Die in die Jahre gekommene, aber immer noch sehr gut klingende, Aufnahme vom Oratorium „Christus am Ölberge“ durch das Philadelphia Orchestra unter dem Dirigat ihres langjährigen Chefdirigenten Eugene Ormandy. Kommen wir zum erlesenen Referenzbereich, den diese Box genau so enthält, wie auch z. B. die Mozart-Box von Brilliant Classics ihre Referenzqualitäten hatte. „Referenz“ im besten Sinne des Wortes – also sowohl interpretatorisch wie auch klanglich – sind hier die Sinfonien und die Instrumentalkonzerte zu nennen. Sie sind in der mehrfach ausgezeichneten (u. a. Deutscher Schallplattenpreis) Gesamtaufnahme des Zürcher Tonhalle-Orchesters unter David Zinman vertreten. Als Gesamteinspielung (vor allem der Konzerte [Solisten: Y. Bronfman und Ch. Tetzlaff]) wird man NIRGENDWO etwas besseres finden. Hand drauf! Ebenfalls Exzellent: Die Einspielung der Cellosonaten durch Jos van Immerseel und Anner Bylsma (auch wenn hier beim Tonmix das Klavier etwas zu kurz kommt) und die Aufnahme der Violinsonaten durch Pinchas Zukerman und Marc Neikrug. Kurz und Gut: Wie schon bei den Brilliant Classics-Boxen gibt es Licht und Schatten auch bei Sony’s Beethoven auf 60 CDs. Alle 60 CDs sind durchaus hörenswert, etwa 16 CDs bieten Aufnahmen der absoluten Spitzenklasse, etwa 3 CDs der Box sind richtig mies und der Rest – somit rund 41 CDs gehören in die Kategorie gut bis sehr gut – aber es gibt besseres. Das Geld (bei www.jpc.de zur Zeit der Niederschrift dieser Kritik gerade einmal 39,99.- €) für die Beethoven-Box ist sehr gut angelegt. Die Frage ist jetzt: Legt Brilliant Classics nach oder bleibt Sonys Angebot die einzige z. Zt. erhältliche sinnvolle „Fast“-Gesamteinspielung der Kompositionen Ludwig van Beethovens? |
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