A. Vivaldi – Konzerte für zwei Violoncelli (2014)
• • • • Antonio Vivaldi – Konzerte für zwei VioloncelliVivaldi auf der Goldwaage?von Rainer Aschemeier • 5. November 2014
Keine Frage: Julian Lloyd Webber ist ein Weltstar unter den Cellisten. Und unter denen gibt es ja nicht soooo viele, die sich mit dieser Plakette schmücken könnten. Allerdings ist bei ihm auch immer fraglich, ob dieser Ruhm wirklich ganz auf seiner Karriere als Cellist beruht oder ob nicht auch etwas vom strahlenden Glanz seines älteren Bruders, dem Musicalkomponisten von Smash-Hits wie „Jesus Christ Superstar“, „Cats“, „Phantom of the Opera“ oder „Starlight Express“ auf ihn abgefärbt hat. Nach eher verhaltenem, beinahe schüchternen Beginn in den 1980er-Jahren wurde Julian Lloyd Webber schnell zu einer Art „Rockstar“ der Klassikwelt und machte auch durch Provokationen auf sich aufmerksam. Zusammen mit seiner Frau Jiaxin Lloyd Webber hat der britische Cellovirtuose nun ein neues Album eingespielt, in dem man ebenfalls so eine Art Provokation sehen könnte. Warum? Nun, Lloyd Webber hat Doppelkonzerte Vivaldis für zwei Celli transkribiert und hat dabei unter anderem das eherne Gesetz missachtet, das aussagt, das etwas, was für Zupfinstrumente komponiert wurde, nicht mit Streichinstrumenten dargeboten werden sollte. Was genau haben wir hier eigentlich? Hört man Lloyd Webbers neue CD, macht sie einfach Freude. Man hört Vivaldis herrliche Melodien, man hört zwei hervorragende Cellisten in berührender Innigkeit vereint im Duospiel, und das bringt die Sache auch schon auf den Punkt: In einer Zeit, in der man sich fast schon daran gewöhnt hat, dass jede neue Vivaldi-CD angeblich sensationelle, gerade erst wiederentdeckte Weltersteinspielungenzu bieten hat, und die dann am besten auch noch dargeboten auf originalen Barockinstrumenten und in angeblich ach so „historischer“ Aufführungspraxis, kommt hier einer und zeigt, dass Vivaldis Musik ruhig auch mal wieder etwas unverkrampfter gehört werden kann. Und genau dafür ist dieses Album ausgezeichnet geeignet: Es ist erstklassig gespielter, unverkrampft und entspannt dargebotener „Genuss-Barock“ der Kategorie „einfach schön“. Ende. Wer Vivaldi als intellektuelle Herausforderung sucht, der suche woanders, bei Carmignola vielleicht oder bei L’Arte dell’Arco oder in extremster Weise bei Il Giardino Armonico. Hier ist ein Vivaldi, wie ihn einst ein Marriner musizierte oder ein Rudolf Baumgartner: Rhythmisch, melodieverliebt, ansonsten vor allem unkompliziert und breitentauglich. Sicher, man kann einwenden, das European Union Chamber Orchestra klinge in manchem Satz als hätte Dirigent Hans-Peter Hofmann ein Metronom verschluckt, und die angeblich historische Aufführungspraxis hat dieses Orchester wahrscheinlich noch nie zu seinen Stärken gezählt. Hier darf der Himmel noch voller Geigen hängen, darf Barockmusik noch saftig, kräftig, poppig klingen. Und: Ist das schlimm? Ich finde: Julian Lloyd Webbers jüngste Aufnahme ist ein erfrischendes Album in einer Zeit, in der wir uns mehr um die Aufführungsumstände der Musik zu kümmern scheinen als um die Musik selbst. Und somit hat der Weltstarcellist gerade mit einem scheinbar so biederen Werk wie diesem wieder einmal provoziert. Ein Massenpublikum kann er damit auch noch erreichen. Eigentlich großartig, oder nicht? Und so sollten wir dieses Album sehen. Ich finde es schlichtweg schön. Und Empfindungen dieser Art kommen aus Herz und Bauch, nicht aus dem Kopf. |
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