Originals and Beyond – Klaviertranskriptionen von Beethoven, Schönberg und SchumannMusikarchitekten am Werkvon Rainer Aschemeier • 12. November 2014
Abseits der Oper sind vor allem üppig besetzte Orchesterwerke nach wie vor der Konzertgänger liebstes Kind. Am allerliebsten hat man Konzerte oder Sinfonien. Doch nicht selten sind die Hörer enttäuscht, wenn sie aufgrund einer schlechten Akustik, eines weniger guten Dirigenten, eines eher mäßigen Orchesters oder auch aufgrund einer verpfuschten CD-Aufnahme den Eindruck bekommen, dass ein Stück nur wenig akzentuiert oder transparent zu hören war. Der Musiklaie schiebt die Schuld dann schnell auf den Komponisten. Wohl deswegen finden sich so viele Vorurteile der Art Robert Schumann habe schlecht instrumentiert oder bei Gustav Mahlers Werken sehe man die Musik vor lauter Bombast nicht mehr. Beide Urteile sind grundweg falsch. Richtig ist aber, dass vor allem Schumann und Mahler – noch schlimmer dessen Nachfolger im Geiste wie etwa Schönberg oder Berg – häufig sehr schlecht interpretiert werden, von Orchestern und Dirigenten, denen es auf die innere Differenzierung eines Werks „nicht so anzukommen“ scheint, die Effekt über Musikalität und Show über Einsicht stellen. Wie lohnend es dann sein kann, eine Klavierbearbeitung oder sogar einen Klavierauszug eines größer besetzten Werkes hören zu können, die im Idealfall zudem noch vom Komponisten selbst erbracht wurden, merkt jeder sofort und auf der Stelle, der Ohren im Kopf und Gehirn zwischen denselben hat. Interessant ist es, mit den jeweiligen Originalen zu vergleichen. Schönbergs Kammersinfonie ist im Original ein Stück für 15 einigermaßen solistisch behandelte Instrumente, Beethovens Große Fuge ist ein Werk für Streichquartett und Schumanns Sinfonie ist ein Stück für Sinfonieorchester. Am frappierendsten sind die Vergleiche in Sachen Schumann. Man hat ja per se schon den Eindruck, der Komponist der Schumann’schen Orchestermusik und der Komponist der Schumann’schen Klaviermusik könne schwerlich ein- und derselbe gewesen sein. Beim Hören der Klavierfassung der Schumann-Sinfonie verstärkt sich dieser Eindruck nur noch mehr. Einerseits gibt es eindeutig identifizierbare stilistische Anklänge an Klaviermusik wie etwa die Kreisleriana, jedoch gibt es auch Passagen die eher an die symphonischen Etüden erinnern während anderes stammt, als wäre es von einer anderen Person geschrieben worden. Darf man so weit gehen zu mutmaßen, welche Passagen dieser Sinfonie Schumann ursprünglich am Klavier geschrieben hat und welche frei und ohne Instrument? Sicher wäre das nicht statthaft, aber es ist doch ein reizvoller Gedanke, das Stück so einmal ganz neu und analytisch zu hören. Schönbergs Kammersinfonie ist in der Fassung für 15 Instrumente eine Tour de Force für die Musiker, was allein schon ein Grund dafür ist, dass das Stück in mehr schlechten als guten Einspielungen am Markt existiert. In der Klaviertranskription fehlen dem Stück zu einem Gutteil die exotischen Klangfarben, dafür wird nun die ganze rhythmische Unerbittlichkeit der Musik hörbar, und oft sitzt man mit offenem Mund da und staunt über die Musik, die man nun ganz neu zu hören vermeint. Norie Takahashi und Björn Lehmann bieten auf dieser CD rundum solide Darbietungen der Stücke. Sie überzeugen durch eine überragend gute Spieltechnik und durch eine ausgeklügelte Rhythmik, die aber manchmal unverkrampfter sein könnte – auch, wenn sich das leicht sagt, bei diesen durchweg irrsinnig komplexen Kompositionen, bei denen auch Schumanns zweite Sinfonie nicht gerade eine Ausnahme darstellt. Bei deren drittem Satz bieten Takahashi und Lehmann auch eine emotional völlig überzeugende Vorstellung, während sie an anderen Stellen bisweilen einen Hang zu architektonischer Kühle offenbaren. Doch ist es gerade auch dieser Aspekt, der es ihnen erlaubt, die hier zu hörenden Stücke so atemberaubend transparent und glasklar klingen zu lassen. Als Vorteil oder nachteil (ganz nach persönlichem Geschmack) lässt sich verbuchen, dass Takahashi und Lehmann einen sehr wiedererkennbaren Sound haben und dieser „Interpretenklang“ über den „Komponistenklang“ zu dominieren scheint. |
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