Antonio Vivaldi – Vivaldi-Edition (66 CDs)von Rainer Aschemeier • 20. Oktober 2014 Die „Vivaldi-Edition“ ist eine der dienstältesten Musikkollektionen im Bestand des auf „Alles oder nichts“ spezialisierten Labels „Brilliant Classics“. Nun ist das Ansinnen „alles“ von Antonio Vivaldi in einer Gesamtausgabe zu veröffentlichen nicht möglich. Noch immer ist das geradezu unüberschaubare Werk des Italieners nicht vollständig erschlossen. Und selbst wenn: Allein die über 500 Konzerte und mehr als 30 Opern des Komponisten würden schnell den Rahmen einer bezahlbaren CD-Box sprengen, ganz zu schweigen von den Unmengen an Kammermusik, den Kantaten, den Oratorien, usw. Anfang der 2000er-Jahre startete Brilliant Classics mit einer ersten, repräsentativ verpackten Vivaldi-Ausgabe. Damals umfasste sie 40 CDs und war vor allem mit Lizenzaufnahmen bestückt, von denen die meisten von italienischen Labels wie tactus kamen. Aber auch aus Ungarn bekam man einige Lizenzen vom Hungaroton-Label. Bis heute halte ich diese Ausgabe hoch in Ehren. Ist sie doch in meinen Augen eines der gelungensten Beispiele dafür, wie sich Qualität und Quantität die Hand reichen können, wenn man einen Editor daran setzt, der sein Handwerk versteht. Nun, am 31. Oktober 2014, folgt das bislang umfassendste „facelift“ der Vivaldi-Edition. Eigentlich handelt es sich dabei (um im Autojargon zu bleiben) um ein ganz neues Modell. Die Instrumentalmusik besteht nun fast komplett aus Eigenproduktionen des Brilliant Classics-Labels, wobei keine Kosten und Mühen gescheut wurden. Mit dem Ensemble „L’arte dell‘ Arco“ hat Brilliant Classics nun eines der renommiertesten Alte-Musik-Orchester überhaupt für einen Großteil der Orchestermusik gewinnen können. Das Ensemble hatte in früheren Jahren schon faszinierend gute Vivaldi-Aufnahmen für das cpo-Label abgeliefert und hatte zudem mit seiner herausragenden Tartini-Gesamteinspielung beim italienischen Label „Dynamic“ für Furore gesorgt. Der Vivaldi, den wir hier von L’arte dell’arco zu hören bekommen, ist erstaunlich wechselhaft. Wirklich hervorragende Neuinterpretationen (wie beispielsweise im Falle der Oboenkonzerte oder im Fall des wunderbaren Konzertreigens „La Cetra“) reichen sich mit eher lauen Aufgüssen, die etwas müde wirken die Klinke in die Hand (repräsentativ für letztgenannte Kategorie seien der Zyklus „la Stravaganza sowie die Flötenkonzerte genannt). Das ist nicht in allen Fällen eine Verbesserung. So hatte man ja bei den Blockflötenkonzerten Vivaldis einst die hervorragende Aufnahme des Drottningholm Baroque Ensembles in Lizenz des schwedischen Hifi-Labels BIS in der Box gehabt. Andererseits hat die neue Edition durchaus auch ihre Vorteile. Zum Beispiel ist mit der Einspielung des Ensemble Respighi eine ganz wunderbare, ideenreich umgesetzte und herrlich interpretierte Einspielung der wunderschönen Fagottkonzerte neu enthalten, neben der die früher in der Box vertretene Einspielung des Philharmonia Orchestra im Vergleich doch sehr blass aussieht. Außerdem wurde die Bandbreite der Werke, insbesondere in der Instrumentalmusik, stark ausgeweitet. Mit nun zehn CDs sehr großzügig und damit dem umfassenden Schaffen Vivaldis in diesem Bereich sehr angemessen ist der Abschnitt zum Vokalwerkschaffen des Komponisten ausgefallen. Hierbei wurde auf die (eigentlich sehr guten) ungarischen Lizenzproduktionen nun komplett verzichtet. Stattdessen hat man zu Lizenzen italienischer Labels gegriffen (u.a. tactus mit seinem Ensemble Modo Antiquo) sowie zu Lizenzen aus der Berlin Classics-Schatztruhe, womit wir u.a. in den Genuss vorzüglicher Interpretationen der Virtuosi Saxoniae unter Leitung des großen Ludwig Güttler kommen. Der womöglich spannendste Wechsel in der Ausgabe bezieht sich (wie könnte es anders sein) auf die vier Konzerte aus Vivaldis Zyklus „Li cimento dell’armonia e dell’invenzione Op. 8, die als „Die vier Jahreszeiten“ berühmt geworden sind. Hier haben wir (glücklicherweise!) nun nicht mehr die uralte Deutsche Grammophon-Standardaufnahme des English Concert unter Trevor Piccock mit Simon Standage an der Violine (so, wie noch in der alten Box), sondern wir bekommen hier zeitgemäße, frische und gelungene neue Einspielungen von L’arte dell’Arco. Brilliant Classics hätte hier wahrscheinlich sogar die Wahl gehabt, die Staraufnahme Giuliano Carmignolas und der Sonatori de la giosa marca nochmals von divox zu lizenzieren, die bereits vor Jahr und Tag in einem bis heute faszinierenden Set auch bei Brilliant Classics erschienen war. Dass man sich trotzdem für die L’arte dell’Arco-Ausgabe entschieden hat, war eine sehr richtige und konsequente Wahl. Fazit: Die komplett überarbeitete Vivaldi-Edition ist nach wie vor ihr Geld wert. Ich persönlich halte auch die alte Ausgabe weiterhin in Ehren, doch objektiv betrachtet muss man schon sagen: Diese neue Box ist wahrscheinlich die beste Vivaldi-Retrospektive, die je erschienen ist. Und damit ist sie jeden Cent ihres eh günstigen Preises sehr wohl wert. |
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