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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

J. Cage – one7 / four6
Sabine Liebner (Klavier)

(2014)
wergo

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John Cage – one7 / four6

Die Wiederentdeckung der Stille

von Rainer Aschemeier  •  8. Oktober 2014
Katalog-Nr. WER 6797 2 / EAN: 4010228679724

Sabine Liebner begeisterte schon mehrfach mit ihren schlichtweg kaum zu überbietenden Einspielungen der Musik des US-Amerikaners John Cage. Ihre Einspielung der „Etudes Australes“ etwa war nicht weniger als bahnbrechend, ja, ich würde eher sagen: epochal! Im Jahr 2011 zählte sie mit zu den the-listener.de-CDs des Jahres.

Nun erscheint die neueste Cage-CD Sabine Liebners mit zweien der beim Publikum beliebten „number pieces“. Es ist eine Veröffentlichung, auf der (ganz im Sinne des Komponisten) mehr Stille zu hören ist als Töne. Vor allem das Stück „one7“ (für Cage für „jeglichen Klangerzeuger“ konzipiert) besteht im wesentlichen aus einzelnen Tönen (teils hervorgebracht von präpariertem Klavier, auch unter Einbezug von Live-Elektronik) und dazwischen teils minutenlanger Stille. Das Werk „four6“ wurde von Cage unscharf für „vier Stimmen“ angelegt (unabhängig davon, ob es sich dabei nun um menschliche Stimmen, vier Instrumente oder vier „Stimmen“ eines einzelnen Instruments handelt. Interessant ist nun, dass „one7“ eine der vier Stimmen von „four6“ ist. Wir haben hier also im Prinzip zweimal das gleiche Werk, aber einmal in Kombination mit anderen Klangereignissen.

John Cage hat teilweise genaue Zeitintervalle vorgegeben, wann ein Klang zu beginnen und wann er zu enden hat. Die Stoppuhr ist also ein wesentliches Hilfsmittel, wenn diese Musik adäquat aufgeführt werden soll. In der Wahl der Klänge hat der „Komponist“ seinen Interpreten – bei Cage entsprechen sie eher der Rolle von Nachschöpfern – weitgehend freie Wahl gelassen. Sie haben nur rudimentäre, ziemlich weit auslegbare Vorgaben.

Sabine Liebner hat – so möchte man meinen – auf diesem Album nicht viel zu tun. Von den exakt 60 Minuten Spielzeit dieser CD bestehen schließlich mindestens die Hälfte aus kompletter Stille. Die feinnervigen Dynamikkontraste, die Sorgsamkeit und der Einfallsreichtum in Dingen der Klangerzeugung sind jedoch der Punkt, worin sich Liebner einmal mehr himmelweit von ihren Interpretenkollegen abhebt. Einzig der Franzose Cédric Pescia würde mir einfallen, der vielleicht das Zeug dazu hätte, es mit Liebners visionär konzipierten Cage-Interpretationen aufnehmen zu können.

Abschließend sei noch auf einen merkwürdigen Umstand hingewiesen: Während das Label auf der Hülle von einer „Ersteinspielung“ dieser Werke in der Klavierfassung spricht, erzählt das Booklet von einer existierenden „Referenzaufnahme“, die der Komponist selbst eingespielt haben soll. Was können wir also nun glauben?
Ist aber auch egal: Sabine Liebner ist mit dieser CD wieder einmal ein veritabler Geniestreich gelungen. Besser hätte es Cage selbst auch nicht gemacht.

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