J. Loussier – Violinkonzerte Nr. 1 & 2 / I. Paderewski - Violinsonate (2014)
• • • • Jaques Loussier – Violinkonzerte Nr. 1 & 2 / Ignaz Paderewski – ViolinsonateLoussier (not playing Bach)von Rainer Aschemeier • 31. Juli 2014
Huch, was kommt denn da auf den Tisch? Violinkonzerte von Jaques Loussier, dem König des Klassik-Jazz! Das ist doch zumindest so überraschend, dass man auf jeden Fall mal reingehört haben muss. Und das Schöne ist: Je länger man reinhört, desto mehr merkt man, dass dieses Album richtig gut ist! Vor allem Loussiers erstes Violinkonzert aus den Jahren 1987/88 vermag durchaus zu begeistern. Keine Spur allerdings von Loussiers „play-Bach“-Attitüde. Stattdessen lässt der Franzose Erinnerungen an diverse Belmondo-Filmmusiken aufkommen (ich nenne jetzt als Beispiel mal das berühmte Thema aus „Der Profi“) und bewegt sich somit in einem Fahrwasser zwischen Ennio Morricone und nur randseitigen Jazz-Ausflügen. Das zweite Konzert ist ganz anders, viel mehr vom Jazz beeinflusst, sehr viel stärker improvisatorisch für den Solisten angelegt. Insgesamt wirkt das zweite Konzert sperriger und auch – ich nenne das jetzt mal – „wilder“. Durch die zahlreichen Improvisationsparts (die Jazzer womöglich begeistern werden) stellt sich bei mir kein Charakter eines durchkomponierten Stücks ein, und ich muss sagen, dass ich dieses Konzert (2006 komponiert) nur bedingt überzeugend finden kann. Beide Werke sind aber wirklich interessant und beweisen, dass man auch heute noch etwas „leichtere“ E-Musik auf trotzdem sehr hohem Niveau komponieren kann. Nun aber der Fauxpas: Wie kann man Loussiers spritzige Werke, die sicherlich kein ausschließlich klassikaffines Publikum anziehen, nur mit Paderewskis enorm sperriger Violinsonate koppeln? Sicher, beim Paderewski-Stück kann Solist Adam Kostecki überhaupt erst alles „rauslassen“, was er so kann. Doch die Musik wird viele Hörer verschrecken. Und das kann im Übrigen sogar ich verstehen: Die Sonate ist ein übersprudelnder Quell sinnbefreiten Virtuosentums, bei dem die Show mehr zählt als die Musik. Die Interpretationen aller Stücke sind absolut exzellent ausgeführt. Vor allem die Loussier-Konzerte hätten gar keine bessere Interpretation erfahren können. Das Polish Philharmonic Chamber Orchestra erweist sich als ausgesprochen qualitätvolles Ensemble, das vor allem auch den richtigen „Drive“ mitbringt, um Loussiers Jazz-beeinflussten Stil nicht knöcherig sondern schön organisch und swingend durch die HiFi-Anlage zu pusten. Piotr Iwicki, der großartige Schlagzeuger dieser Produktion, trägt einen Großteil zu diesem positiven Eindruck bei. Solist Adam Kostecki ist neben seiner Solistenrolle auf diesem Album auch als Dirigent aktiv, und das nötigt einem bei diesem durchaus komplexen Repertoire schon Respekt ab. Und zuguterletzt ist Pianist Gunther Hauer jeder Technikhürde gewachsen, die Paderewski ihm in die Partitur geschrieben hat. Einziger Streitpunkt dieser Aufnahme dürfte der Aufnahmeklang sein, der mit enorm viel Raumhall ausgestattet ist. Zwar ist diese CD in einer polnischen Kirche mitgeschnitten worden. Doch muss man deswegen gleich sämtlichen Hall mit auf das Endprodukt bannen, den die Kirche zu bieten hatte? Vor allem das Schlagzeug bekommt durch diese Hallumgebung zuweilen Böller-Charakter. Und man fragt sich, wie diese Kammerkonzerte (letztendlich sind sie das ja) geklungen hätten, wären sie in einem Kammermusiksaal mitgeschnitten worden, was eigentlich logischer gewesen wäre. Alles in allem aber: Daumen nach oben für Loussiers Violinkonzerte und die ausführende Mannschaft. Ganz große Klasse! Paderewskis Musik hingegen ist und bleibt Geschmackssache. |
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