M. Weinberg - Sinfonie Nr. 21 / Polnische Lieder Op. 47,21 (2014)
• • • • • Mieczysław Weinberg - Sinfonie Nr. 21 / Polnische Lieder Op. 47,21Erneut fantastische Ergänzung zur Weinberg-Diskografievon Rainer Aschemeier • 17. Juli 2014
Es ist ja schon einfach ganz unglaublich, was in den letzten Jahren in Sachen Mieczysław Weinberg passiert ist: Da ist ein Komponist, vergessen von der Welt. Und plötzlich findet jemand heraus, dass man ihn auch ganz gut als so eine Art „Schostakowitschs Erbe“ vermarkten könnte – und das klappt! Es klappt so gut, dass sich inzwischen drei Labels um die erste Gesamteinspielung von Weinbergs Sinfonien balgen, von denen der Komponist immerhin 21 (nummerierte) Exemplare hinterlassen hat, neben mindestens einer unnummerierten Sinfonie und diversen Sinfoniettas und Kammersinfonien. toccata hatte deswegen den richtigen Riecher, weil es sich mit diesem Stück um Weinbergs allerletzte Sinfonie (aus dem Jahr 1991) handelt, bei der noch einmal klar wird, was für ein grandioser Komponist dieser Mann war, und wie ergreifende und handwerklich in diesem Stadium absolut perfekte Musik er komponiert hat. Ganz klar sind hier Einflüsse des Werks von Alfred Schnittke hörbar, vielleicht sogar von Arvo Pärt. Doch natürlich ist die Sinfonie alles in allem Weinberg pur – und zwar at his very best! Womöglich werden sich einige daran stören, dass die Eröffnung der Sinfonie, die auf reduzierte Streicherbesetzung setzt und eine Solovioline in den Mittelpunkt des Geschehens stellt, stark an die Sinfonie Nr. 12 „in memoriam D. Schostakowitsch“ erinnert. Womöglich werden es einige Hörer eher enttäuschend oder gar rückständig finden, dass Weinberg nach den sehr expressiven Sinfonien der letzten Werkperiode in seinem allerletzten Stück dieser Gattung noch einmal etwas ganz und gar eingängiges komponiert hat. Doch müsste man dann konsequent missachten, wie gut gemacht diese Musik ist. Etwa der sparsame, aber immer wohlüberlegte, äußerst spannende Einsatz der Soloinstrumente. Vor allem ein obligater Klavierpart überrascht immer wieder durch außergewöhnliche Klangfarben und faszinierende Effekte. Vor allem die nur gelegentlich eingestreuten kammermusikalischen Duette von Violine und Klavier jagen einem wirklich Schauer über den Rücken: Wer das komponiert hat, war ein Meister der Orchestrierung und ein Komponist, der imstande war, ungewöhnlich ergreifende Musik zu komponieren. Interessant sind übrigens auch die eingebauten musikalischen Zitate aus Werken anderer Komponisten. Da kann man von Mahler bis Chopin fündig werden, und es erscheint mir merkwürdig, warum der Booklettext diesen Umstand mit keinem Wort erwähnt. Auf der CD finden sich zudem die „Polnischen Lieder“ Op. 47,21. Diese Komposition zählt eher zum „leichteren“ Weinberg, dem wir z.B. auch die Sinfoniettas und manches Agit-Prop-Stück zu verdanken haben. Ich persönlich bin kein großer Anhänger dieser Musik, die stets den Beigeschmack von vermeintlich sowjetkonformer Kompositionspraxis vermittelt. Das Booklet allerdings klärt uns über die schwierigen Umstände der Komposition auf. Übrigens sind die vier Stücke Orchesterkompositionen (also ohne Gesang). Das Siberian Symphony Orchestra hatte schon anno 2012 auf einer grandiosen toccata-CD mit sinfonischer Musik Vissarion Schebalins einen sehr guten Eindruck hinterlassen (übrigens wurde uns Hörern damals eine ganze Reihe mit Schebalin-Musik versprochen – wo bleibt die bitteschön, liebes toccata-Label???). Auf dieser Weinberg-CD hat sich das Orchester aber selbst übertroffen: Wie viele Soloparts sind in dieser Musik, und das für ganz unterschiedliche Instrumente! Und alle, wirklich alle – zum Teil überdies schwierig zu realisierenden – Soloparts sind ausgezeichnet eingespielt worden. Der Klang geht in Ordnung, die Phrasierung ist vorbildlich. Auch die Sopranistin Veronika Bartenyeva hinterlässt einen tollen Eindruck. Fazit: Fast alle bisherigen Sinfonieeinspielungen der Musik Mieczysław Weinbergs – egal von welchem Label – waren ausgesprochen gut. Diese CD-Produktion ist jedoch eine von den allerbesten. Und das bezieht sich erfreulicherweise nicht nur auf die Einspielung, sondern auch auf die Komposition selbst. Der Aufnahmeklang zählt nicht unbedingt zur HiFi-Elite, wird aber auch niemanden enttäuschen. In diesem Sinne: Eine im höchsten Maße empfehlenswerte Produktion! |
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