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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Stravinsky in Hollywood
Marco Capalbo

(2014)
c-major

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Stravinsky in Hollywood

Eine neue Filmdokumentation hinterleuchtet anhand einiger noch nie gezeigter Filmdokumente Stravinskys "amerikanische Phase"

von Rainer Aschemeier  •  9. Juni 2014
Katalog-Nr.: 716404 / EAN: 814337011642

„Stravinsky in Hollywood“ heißt eine brandneue Dokumentation von Bernhard Fleischers Produktionsfirma „Moving Images“. Der von Marco Capalbo konzipierte und geschnittene Film, bei dem Capalbo zusätzlich auch noch Regie geführt hat, ist nun beim Label c-major auf DVD und Blu-ray erschienen.

Zunächst einmal lesen wir, was sich der Regisseur/Autor bei der ganzen Sache gedacht hat: Eine Dokumentation über Stravinskys (weitgehend fruchtlos gebliebene) Auseinandersetzung mit der US-Filmwirtschaft soll dieser Film sein. Zugleich soll er Stravinskys Leben in Hollywood hinterleuchten, also die Zeit in Stravinskys Leben, die bis heute merkwürdig wenig gewürdigt wird und über die selbst eingeschworenen Stravinsky-Fans meist nur wenig bekannt ist, obwohl Stravinsky ja fast 40 Jahre lang in Hollywood lebte, und dort somit sein halbes Leben zubrachte.

Die Doku stellt teilweise noch nie gesehenes, zum Teil wirklich spektakuläres und interessantes Originalmaterial neben – pardon – ziemlich dämliche, von nur mittelmäßig ähnlichen Stravinsky- und Robert Craft-Doubles nachgestellte Spielszenen, die nichts, aber auch absolut gar nichts zur Handlung und zum Erzählstrang der Dokumentation beizutragen haben. Aber wahrscheinlich muss das heutzutage so sein, weil es alle machen, und wahrscheinlich brauchte man diese (einzigen hochauflösenden) Szenen im Film, um die Herausgabe auch auf Blu-ray rechtfertigen zu können.

Die Beschränkung auf Stravinskys Wirken als Filmmusikkomponist lenkt den Fokus auf einige eher randseitig stehende Werke, wie etwa die „Four Norwegian Impressions“ oder das szenische Oratorium „The Flood“, sodass fast alle Hauptwerke aus Stravinskys US-amerikanischer Phase außen vor bleiben: Kein Wort über das Klarinettenkonzert (obwohl uns das zumindest im Text auf der Hülle angespriesen wird), kein Wort über „Dumbarton Oaks“, kein Wort über „Scènes de ballet“, kaum ein Wort über die an sich doch äußerst interessante Geschichte von Stravinskys Bearbeitung der US-Nationalhymne, für die der Komponist sogar verhaftet worden war, weil er gegen das Bearbeitungsverbot für diese Musik in den USA verstoßen hatte, worauf empfindliche Strafen verhängt wurden.

Nun könnte man das Fehlen all dieser Stücke als systemimmanent verbuchen (schließlich sollte es in dieser Doku ausschließlich um Filmmusik gehen), doch wundert es einen dann an anderer Stelle, warum der Autor des Films dann relativ ausführlich auf Stravinskys Messe, die „Variations: Aldous Huxley in memoriam“, die „Requiem canticles“ und manches mehr eingeht, was ja mit Filmmusik auch nun wirklich gar nichts zu tun hat.

Des Weiteren ist die deutsche Synchronfassung des englischen Kommentars wirklich etwas ärgerlich. Es müsste zum Beispiel nicht (wie im deutsch synchronisierten Filmkommentar geschehen) „das“ Requiem canticles, sondern „die“ Requiem canticles heißen, und beim im Film zurecht als Hauptwerk des 20. Jahrhunderts präsentierten Ballett „Agon“ müsste die Betonung auf dem „o“ liegen, und nicht auf dem „A“. Letzteres wird um so peinlicher, weil – noch während der Kommentator sein falsches „Agon“ ausspricht – im Bild ein Partiturausschnitt sichtbar ist, bei dem über dem „o“ von „Agon“ extra ein Betonungszeichen angebracht ist. Also: Besser gleich in Englisch anschauen!

Fazit: Diese Doku ist zwar hochinteressant und stellt für Stravinsky-Fans durchaus sehr interessantes, seltenes und zum Teil wirklich spektakuläres Originalmaterial bereit (dazu gehören auch eigens für diesen Film geführte Interviews mit u.a. Robert Craft – die man übrigens gern als Special in der ungeschnittenen Originallänge sehr gern gesehen hätte), gleichwohl wirkt die Struktur des Films nicht schlüssig durchdacht, die Spielszenen sind schlicht unnötig, und die deutsche Synchronfassung enthält einige eher peinliche Momente.
Specials gibt es leider gar nicht, sodass man hier für sein Geld gerade einmal 57 Minuten Filmdoku erwirbt, und das war es dann. Ganz schön knapp…

Trotzdem sei dieser Film jedem anempfohlen, der mehr über Stravinskys amerikanische Zeit wissen möchte. Als „Soundtrack“ empfehle ich zusätzlich das vorzügliche, 1997 erschienene RCA-Album „Stravinsky in America“ vom London Symphony Orchestra unter Leitung von Michael Tilson Thomas, das eine sehr gute Werkauswahl in hervorragenden Interpretationen enthält.

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