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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

P. I. Tschaikowsky - Jahreszeiten Op. 37b / Six morceaux Op. 19
Pavel Kolesnikov

(2014)
hyperion / Vertrieb: note 1

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Pjotr Iljitsch Tschaikowsky - Jahreszeiten Op. 37b / Six morceaux Op. 19

Zwischen Souveränität und Verletzlichkeit: Aufsehenerregendes Labeldebüt des jungen Pianisten Pavel Kolesnikov

von Rainer Aschemeier  •  6. Juni 2014
Katalog-Nr.: CDA68028 / EAN: 034571280288

So wie fast alles aus Tschaikowskys Feder ist auch seine Klaviermusik eigentlich eminent unterschätzt. Besonders rätselhaft ist es, warum seine ganz zauberhafte Sammlung „Jahreszeiten“ Op. 37b vergleichsweise noch immer ein Schattendasein im Klavierrepertoire führt. Seine „Six morceaux“ Op. 19 sind da schon etwas prominenter, können sich in Sachen Beliebtheit aber auch höchstens am Rande der Massen behaupten.

Ich denke, dass wir Deutschen einfach zu verwöhnt sind. Wir haben in der Zeit Tschaikowskys bei uns so großartige Klaviermusikkomponisten wie Schumann, Liszt oder Brahms gehabt, dass wir es vielleicht kaum für nötig halten, mal über den üblichen pianistischen Tellerrand zu schauen. Und wenn, dann kommt uns doch höchstens einmal Chopin in den Sinn.
Darunter leidet zumindest hierzulande die Bekanntheit der großartigen Klaviermusik vieler Komponisten, wie eben auch Tschaikowksy.

Es ist daher immer besonders schön, wenn man sieht, dass ein junger Pianist sich eines der eher vernachlässigten Werke zum Kernbestandteil seines CD-Debüts bei einem wichtigen Label macht. Genau dies ist geschehen in Gestalt der hier vorzustellenden Tschaikowksy-CD des jungen sibirischen Pianisten Pavel Kolesnikov.

Kolesnikov betont im Booklet des Albums, als wie innig und verletzlich er diese Musik empfindet – fast „zu schade für eine große Konzerthalle“, wie er es formuliert. Da schreibt jemand tatsächlich, er könne sich vorstellen, die CD sei vielleicht besser noch als das Live-Konzert das geeignete Medium, um eine besonders intime Verbindung zwischen Ausführendem und Hörer herzustellen. Das ist heutzutage, wo fast alle jungen Interpreten nimmermüde betonen, wie sehr sie die Livesituation der scheinbar so sterilen Studioatmosphäre vorziehen, ein beinahe mutiges Statement, das durchaus an die ästhetischen Vorstellungen eines Glenn Gould gemahnt, der einmal gesagt haben soll, sein Traum wäre es, 365 Tage im Jahr in einem Tonstudio Klavier spielen zu können.

In der Tat ist das äußerst sensible Klavierspiel Kolesnikovs eine ganz besondere Attraktion. Der Mann besitzt vor allem in den leiseren Passagen eine dynamische Feindifferenzierung, die absolut außergewöhnlich ist. Herzhaft zupacken kann er zwar auch, vermittelt dabei aber stets so etwas wie eine gewisse Zurückhaltung oder Verletzlichkeit, was mich persönlich frappierend an den Stil des blinden Japaners Nobuyuki Tsuji erinnert.
Herausragend ist Kolesnikovs Verbindung von penibelster Exaktheit, einem im besten Sinne trockenen Anschlag und einer Kantabilität, die ihresgleichen sucht. Dabei muss der junge Sibirjake nur sehr selten einmal auf Rubato zurückgreifen, und wenn er es doch tut, kommt es definitiv an den richtigen Stellen.

Das hyperion-Debüt Pavel Kolesnikovs ist also ein wirklich aufsehenerregendes Statement eines jungen Künstlers – eines, wie wir es schon länger nicht mehr hatten. Hier traut sich jemand einen eigenen, individuellen Peronalstil zu und schwimmt damit von Beginn an im Fahrwasser der ganz Großen. Dass Kolesnikov gleichzeitig nie Gefahr läuft, seine persönliche Interpretation in Manierismen umschlagen zu lassen, ist seine große Stärke und seine feine Gratwanderung, die ich sehr bewundere.

Liebe hyperions in England: Diesen Herrn Kolesnikov haltet Euch bitte warm, denn das könnte glatt ein zweiter Marc-André Hamelin werden. Und der ist ja bekanntermaßen der große Klavierstar des britischen Qualitätslabels.

Der Klang der Produktion – aufgezeichnet in der akustisch bekannt großartigen Konzerthalle des wunderschönen Anwesens Wyastone Leys, das sich mitten auf der Grenze zwischen Wales und England im Besitz des britischen Nimbus-Labels befindet – könnte schöner, klarer und natürlicher nicht sein. Auch in dieser Hinsicht ein Volltreffer!

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