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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

F. Busoni - Vollständige Bach-Transkriptionen (2 CDs)
Sandro Ivo Bartoli

(2014)
Brilliant Classics / Vertrieb: edel:kultur

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Ferrucio Busoni - Vollständige Bach-Transkriptionen (2 CDs)

Schüler und Mentor – was für ein Unterschied!

von Rainer Aschemeier  •  2. Juni 2014
Katalog-Nr.: 94867 / EAN: 5028421948676

Nicht jeder kann von sich behaupten, Schüler des großen Shura Cherkassky gewesen zu sein. Sicher, es gibt eine ganze Reihe von Pianisten, die mögen bei Sherkassky, einem der letzten echten Granden der russisch-jüdischen Klaviertradition, mal einen Meisterkurs belegt haben oder so etwas. Aber echte Schüler, die über Jahre hinweg eng an der Seite des Meisters studieren durften, davon gibt es nur wenige.

Sandro Ivo Bartoli ist so einer. Er hatte jahrelang Gelegenheit, als Schüler den Stil des Meisters zu studieren. Er hätte dem Geheimnis des Sounds dieser einmaligen Pianistengeneration vielleicht auf den Grund gehen können.

Nun erscheint Bartolis Komplettausgabe sämtlicher Busoni-Transkriptionen der Musik Johann Sebastian Bachs. Es ist das Repertoire, dem sein Mento Sherkassky zu nicht geringen Anteilen seinen Ruhm verdankte. Sherkassky war ein vollendeter Meister, wenn es darum ging, diese spätromantischen/frühmodernen Klavierbearbeitungen der Musik Bachs (die heute ungefähr so umstritten sind wie ihre Beliebtheit beim Publikum groß ist) zu interpretieren. Sein kantabler Klavierton war einfach ideal, um diese von Busoni auf äußerste Sanglichkeit und die Offenlegung akkordischer Zusammenhänge hin (etwa in der Transkription der Bach-Chaconne – ursprünglich für Violine Solo) konzipierten Bearbeitungen zu interpretieren.

Sein Eleve Sandro Ivo Bartoli, der heute vor allem für seine Interpretationen des Klavierwerks der italienischen Komponisten Malipero, Casella und Respighi bekannt ist, und für dieses Repertoire als Referenzkünstler gehandelt wird (mit CD-Aufnahmen bei Labels wie cpo, ASV und hyperion), hatte zuletzt auch schon ein Album mit Busoni-Originalwerken vorgelegt. Nun also Bach/Busoni…

Nun ist es verständlich, dass ein Schüler nicht klingen kann und vielleicht auch nicht klingen will wie der berühmte Mentor. Doch wenigstens die Kerntugenden hätte Bartoli sich bei Sherkassky schon abschauen können: Emotionalität und Sanglichkeit.
Beides ist aber leider nicht die Stärke Sandro Ivo Bartolis. Er interpretiert diese Musik, die ja unzweifelhaft ein Werk der Spätromantik ist, wie originäre Barockmusik, versucht sogar immer wieder Auswege aus den Dynamik- und Tempovorgaben Busonis zu finden, vermeidet wo eben möglich Rubato und hinterlässt dadurch den Eindruck von überwiegend eher trockenen und erstaunlich gefühlskühlen Einspielungen.

Ich muss sagen: Das erstaunt dann doch. Ebenso wie es übrigens erstaunt, dass das Label Brilliant Classics bereits im Beiheft zu dieser pressfrischen Novität verlautetn lässt, die „Bach/Busoni-record“ Bartolis sei von der Presse weltweit gefeiert worden.
Seherische Fähigkeiten darf man also den Bookletschreibern von Brilliant Classics zuschreiben, und ich darf abschließend sagen: Mich können sie damit jedenfalls nicht meinen, denn ich halte diese Edition für zwar engagiert, interpretatorisch aber in mancherlei Hinsicht fehlgeleitet. In der Schule heißt das: „Am Thema vorbei“.

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