L. Nono - la lontananza nostalgica utopica futura (2014)
• • • • • Luigi Nono - la lontananza nostalgica utopica futuraWunderschönes Album, das zum Einstieg in die Musikavantgarde bestens geeignet istvon Rainer Aschemeier • 24. April 2014
Wer glaubt, Luigi Nonos Musik sei nun wirklich etwas für ganz Abgebrühte, der sollte sich einmal dieses wunderschöne Album hier anhören. Es ist diese missverständliche, vermeintlich elitäre und im Übrigen völlig dumme Haltung, die oft auch den Blick auf die Musikavantgarde verstellt. Diese Haltung lässt sich ähnlich deuten, als wenn ein Kunstliebhaber einen Picasso an der Wand hängen hat, bei dem er sich selbst auferlegt hat, ihn nur dann anzusehen, wenn er konzentriert und in „Laune auf Kunst“ ist. Bei den profanen Aktivitäten des Alltags muss das Bild verhängt werden. Auch wenn ich nicht ausschließen möchte, dass es so verrückte Leute wirklich geben mag, so ist der oben geschilderte Gedanke für die meisten Normaldenkenden eine Groteske. Interessant, dass wir diese Groteske für klassische Musik aber als gesellschaftlich maßgeblich begreifen. Dabei gibt es gerade bei Neuer Musik besonders wenig zu verstehen. Hören Geübte bei einer klassischen Sinfonie wenigstens noch den Aufbau des Sonatenhauptsatzes oder können bei einer barocken Fuge die kontrapunktische Konstruktion halbwegs nachvollziehen, so gibt es selbst für Fachleute in der Neuen Musik ohne Partitur absolut gar keine Chance mehr, irgendetwas „herauszuhören“ oder nur durch Hören gar zu „verstehen“. Deswegen müsste Neue Musik eigentlich besonders gut geeignet für Laienhörer sein. Alles, was der Hörer tun kann ist hier nämlich: sitzen und lauschen! Das Stück „la lontananza nostalgica utopica futura“ (übersetzt bedeutet das so viel wie „Die nostalgisch-utopische, zukünftige Ferne“; ich bin mir aber sicher, dass es dazu noch andere mögliche Deutungen gibt) ist ein virtuoses Werk für Soloviolinie und Live-Elektronik. Und gerade solche Stücke geben oft auch jenen Hörern etwas, die sonst wenig mit Neuer Musik zu schaffen haben. Ganz unabhängig von der Musik kann man sich nämlich auch der Faszination der Elektronik hingeben, sodass Konzerte von Neuer Musik mit Live-Elektronik oft ein jüngeres Publikum anlocken. Eines, das sich etwa auch in avantgardistischen Electro-Music-Zirkeln wohlfühlt. Luigi Nonos hier auf vorbildliche Art und Weise eingespieltes Stück ist ein purer Klangrausch. Solistin Miranda Cuckson ist jeder Aufgabe des sicherlich enorm schwierig zu spielenden Werks gewachsen: höchste Spitzentöne und extrem akkurate Intonation sind für sie ebenso wenig ein Problem wie sauberste Flageoletts im pianissimo. Angesehen davon, hat Nono ihr auch noch kleine „Gesangs“-Parts in die Partitur geschrieben. Christopher Burns zaubert dazu ein verwirrendes und höchst faszinierendes Feuerwerk der elektronischen Verfremdung. Fazit: Diese Veröffentlichung kann man eigentlich nur loben. Und ich möchte sie zum Anlass nehmen, dazu aufzufordern, unverkrampfter mit der Musikmoderne umzugehen. Auch diese Musik darf einfach gemocht und muss nicht zwangsweise verstanden werden. Dieses Album, das so faszinierende wie schöne Musik enthält, wäre ein guter Einstieg für jedermann, um sich mit der sogenannten Neuen Musik vertraut zu machen. |
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