Pjotr Iljitsch Tschaikowsky - Der Nussknacker (GA) (2014/1985)
• • • Pjotr Iljitsch Tschaikowsky - Der Nussknacker (GA)Eine harte Nuss...von Rainer Aschemeier • 29. März 2014
Dieses Album stellt den Rezensenten vor ein Problem, denn diese Einspielung hat offensichtliche Schwächen, aber auch erhebliche Qualitäten. Letzten Endes ist eine Abwägung beider Elemente eine ziemlich subjektive Angelegenheit, die sich schwerlich in eine objektive Rezension „pressen“ lässt. Kurz gesagt: Es gilt hier, eine harte Nuss zu knacken. Aber fangen wir mal an mit der „Stärken-Schwächen-Analyse“. Auf der der „Plusseite“ ist zu verbuchen, dass diese Einspielung des Philharmonia Orchestra unter Michael Tilson Thomas (eine CBS-/bzw. Sony-Lizenz aus den 1980er-Jahren) eine der effektvollsten auf Tonträger erhältlichen Wiedergaben von Tschaikowskys „Nussknacker“ in seiner vollen Länge ist: Alle „Gimmicks“ von Tschaikowksys einfallsreicher, koketter Partitur sind hier mit von der Partie – Kazoo, Kindertrompete, Peitsche, verschiedene „klings“ und „klongs“ – alles drin, und besonders liebevoll ausgetüftelt. Der „Glockenschlag zur Mitternacht“ in dieser Aufnahme ist der bei Weitem schauerlichste, die Nackenhaare senkrecht stellendste, den ich bei „Nussknacker“-Einspielungen je gehört habe. Wow! Hier dirigiert jemand, der ganz viel Filmmusik im Kopf hatte, als er Tschaikowskys Partitur ausgearbeitet hat. Das Ergebnis ist eine äußerst zeitgemäße, „heutige“ Lesart des Stücks, die trotz ihrer Herkunft aus den 1980ern nichts an ihrer frappierenden Modernität und ihrer verblüffenden Soundeffekte eingebüßt hat. So weit also die „Pluspunkte“ dieser Einspielung. Kommen wir nun zum „Minus“, und das ist leider ein dicker Brocken: Tilson-Thomas hat bei allem lobenswerten Effekte-Feintuning leider die Grundlagen vergessen. Die Ouvertüre wird so rasend schnell dirigiert (und das völlig ohne Grund!), dass die Streicher des Londoner Philharmonia Orchestra an der Grenze ihrer Möglichkeiten und darüber hinaus agieren. Das Ergebnis ist ein erbärmliches Streicherdebakel, gleich zu Beginn des Stücks. Aber auch die Philharmonia-Bläser scheinen bei dieser Einspielung nicht ihren besten Tag erwischt zu haben. Da langt öfters mal jemand im Orchester ganz derbe daneben. Kurz und gut: Diese Aufnahme hat mindestens zwei Seiten, sodass man gut abwägen sollte, ob man sich ausgerechnet diese Einspielung zulegt. Zugegeben: Der Markt der „Nussknacker“-Einspielungen in voller Ballett-Länge ist nicht eben gewaltig, und viele andere Aufnahmen sind auch nicht wesentlich besser als diese. Aber wer sucht, wird auch fündig. Ja, es gibt sie, die rundum beglückenden „Full-Length-Nussknacker“. Dieser hier ist aber leider keiner von ihnen. |
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