J. Brahms - Streichquartett Op. 51, Nr. 2 / Klarinetten-quintett Op. 115 (2014)
• • • • Johannes Brahms - Streichquartett Op. 51, Nr. 2 / Klarinettenquintett Op. 115Brahms "under pressure"von Rainer Aschemeier • 12. März 2014
Das Brodsky Quartet aus Großbritannien ist im Klassikgenre der ewige Geheimtipp. Schon seit 1972 ist das Ensemble aktiv, und heute sind immerhin noch zwei der damaligen Gründungsmitglieder an Bord. Wir haben hier also eines der etablierten und durchaus bedeutenden Streichquartettensembles der Welt vor uns, dennoch wollte die Karriere des Brodsky Quartets nie so recht „zünden“. Das mag einerseits an der Abenteuerlust des Quartetts liegen, das vor allem auch für die Aufführung der Klassiker der Moderne wie etwa Bartók und Schostakowitsch und für die Beschäftigung mit Neuer Musik bekannt wurde. Es mag aber auch an den Querbezügen zur Welt der Pop- und Rockmusik liegen: Das Brodsky Quartet arbeitete etwa schon mit Sting, Elvis Costello, Björk und anderen Größen aus der Pop-/Rock- und Indieszene zusammen. Vielen konservativen Klassikhörern mag das verdächtig vorkommen. Nun legt das Quartett 42 Jahre nach seiner Gründung tatsächlich sein allererstes Brahms-Album vor, und das hat es in sich: Neben dem Streichquartett Op. 51, Nr. 2 ist auch das herzzerreißende Klarinettenquintett auf dieser CD vertreten. Klarinettist hierbei ist Michael Collins, seines Zeichens einer der Großen der Klarinette, der global zwar nicht so viel Starrummel für sich verbuchen kann wie etwa Sabine Meyer, aber der Grande Dame der Klarinette in Sachen Interpretationserfahrung in nichts nachsteht. Während man über die hier enthaltenen Stücke wohl kaum noch etwas sagen muss – schließlich gehören sie zum engsten Kreis der Kammermusikliteratur von Weltgeltung – ist der Interpretationsansatz des Brodsky Quartets zweifellos eine Analyse wert. Es fällt auf, dass die beiden von Brahms durchaus lyrisch angelegten Werke auf diesem Album von den Brodskys recht forsch dargeboten werden. Wobei: Forsch ist hier das falsche Wort. Es ist eher so, dass man als Hörer stets das Gefühl hat, dass die Musiker die Sorge haben, man könnte diese Brahms-Stücke als zu brav oder „nur schön“ empfinden, wenn sie „einfach nur“ lyrisch dargeboten werden würden. Das führt zu einer zweifellos fesselnden und aufmerksamkeitsheischenden Darbietung, die spiel- und intonationstechnisch übrigens über jeden Zweifel erhaben ist. Doch ich stelle mir die Frage, inwieweit dieser Ansatz Brahms‘ Intentionen gerecht wird. Das Booklet zur CD betont sehr richtig die Nähe dieser Musik zum kammermusikalischen Œuvre Franz Schuberts. Wir wissen zudem (zumindest) aus dem Orchesterbereich durch Zitate und teilweise sogar durch Tondokumente von den einstigen Brahms-Vertrauten unter den Interpreten, dass der Komponist all zu spannungsgeladene, hochdramatisierte Interpretationen seiner Musik eher ablehnte. Das soll nun nicht heißen, dass man Brahms‘ Kammermusik nur lyrisch verklärt oder gar handzahm darbieten sollte. Es ist aber doch ein Fingerzeig darauf, dass diese Musik auch nicht unbedingt klingen muss wie aus dem Druckluftbehälter. Alles in allem ergibt sich hier also ein Bild, das eine objektive und eine subjektive Komponente beinhaltet. Einerseits ist das Brodsky Quartet eine technisch über jeden Zweifel erhabene Kammermusikformation, die auch in Sachen Zusammenspiel einen einfach perfekten Eindruck hinterlässt. Andererseits wirkt manches (wenn auch nicht alles) auf diesem Album etwas dramatisch forciert. Während Letzteres ein vollkommen legitimer Interpretationsansatz ist, den sicherlich viele „Brahminen“ sehr zu schätzen wissen werden, ist es aber auch eine Lesart, die polarisiert und die nicht jeder mögen muss. |
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