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The Listener

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A. Catalani - "Ero e Leandro" und weitere Orchesterwerke
Orchestra Sinfonica di Roma - F. La Vecchia

(2014)
Naxos

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Alfredo Catalani - "Ero e Leandro" und weitere Orchesterwerke

Durch und durch eine positive Überraschung!

von Rainer Aschemeier  •  14. Februar 2014
Katalog-Nr.: 8.573072 / EAN: 747313307272

Alfredo Catalani war jener italienische romantische Komponist, von dem wir heute praktisch nur noch die Oper „La Wally“ kennen. Und aus dieser Oper hat es vor allem die schmachtende Arie „Ebben? Ne andrò lontana“ zu Berühmtheit gebracht, die wir Deutschen als musikalisches Leitmotiv einer Werbung für Gedächtnispillen aus dem Alltag kennen – was übrigens viel über die Sicht der Werbung auf die Zielgruppe der Klassikhörer aussagt…

Zu seinen Lebzeiten war Catalani aber in ganz Europa geschätzt und hatte namhafte „Fans“, unter ihnen etwa Gustav Mahler, der „La Wally“ als die beste italienische Oper die er je dirigiert habe einschätzte. Ein anderer Dirigent, nämlich Arturo Toscanini, konnte sich auch für andere Werke Catalanis begeistern.
Und so verwundert es kaum, dass es heute zumindest noch global gesehen ein stattliches Grüppchen hartnäckiger Catalani-Fans gibt.

Das neueste Album des eminent fleißig – nahezu fließbandartig – neue Einspielungen von selten gehörter italienischer Musik vorlegenden Orchestra Sinfonica di Roma unter der stets routiniert guten Leitung ihres Chefdirigenten Francesco La Vecchia widmet sich nun einer besonderen Rarität – der Orchestermusik Alfredo Catalanis.
Selbst eingeschworene Catalani-Jünger werden wohl kaum gewusst haben, dass es einige der Stücke, die hier zu hören sind überhaupt gibt.

Unter den fünf dargebotenen Werken befinden sich immerhin zwei Weltersteinspielungen, darunter auch eine Sinfonie mit dem Beinamen „Sinfonia romantica“ aus dem Jahr 1874, demnach ein ausgesprochenes Frühwerk des Komponisten.

Das musikalische Schwergewicht auf dieser CD ist aber eindeutig die sinfonische Dichtung „Ero e Leandro“, die mit gut 18 Minuten Spielzeit zudem um knapp fünf Minuten länger ist, als das knappe, einsätzige Sinfoniechen, das dieses Album auch bereit hält. Besonders überraschend ist hierbei die Eröffnung: Konnte Alfredo Catalani Bedřich Smetanas „Moldau“ gekannt haben? Jawohl, konnte er! „Mein Vaterland“ von Smetana war 1882 uraufgeführt worden, „Die Moldau“ daraus schon weit früher, nämlich 1875.
Es ist aber trotzdem erstaunlich, wie ähnlich sich die Anfänge von „Ero e Leandro“ (das die antike Geschichte der unglücklichen Liebenden Hero und Leander erzählt, wobei das Meer keine unwesentliche Rolle spielt) und Smetanas „Moldau“ sind. Nach drei Unisono-Streicher-/Bläserakkorden das charakteristische „Plätschern“ der Streicher und Holzbläser (okay, Catalani macht es nicht mit Flöte…), wie wir es von Smetanas „Moldau“ her kennen. Selbst die „Jagdhörner“ und das „Glitzern des Mondes auf dem Wasser“ aus Smetanas „Moldau“ hören wir – einer kurzen Zusammenfassung ähnlich – wenn nicht notengleich, doch zumindest stilistisch eindeutig abgekupfert innerhalb der ersten zwei Minuten von „Ero e Leandro“ wieder. Das zu hören, ist schon ein großer Spaß!
Doch das soll keineswegs bedeuten, dass „Ero e Leandro“ irgendwie schlecht wäre oder ein reines Plagiat darstellen würde – ganz und gar nicht. Catalani fällt nach kurzer Moldaureise nämlich zurück in sein gewohntes Musikidiom, irgendwo zwischen Wagner und Massenet mit einem Schuss Berlioz in den besten Momenten. Sowohl vom internen Aufbau als auch vom musikalischen Material her, ist „Ero e Leandro“ ein durchaus geschmackssicheres, sehr souverän und hochklassig komponiertes Stück im Fahrwasser der Liszt’schen sinfonischen Dichtungen. Dieses Stück hätte es wohl verdient gehabt, schon früher wiederentdeckt zu werden.

Ebenso übrigens wie das zweite auf dieser insgesamt sehr interessanten CD, das entzückende – ja, man möchte fast sagen neoklassizistische Scherzo, das Catalani 1878 für eine Art „Mozart-Orchesterbesetzung“ auf’s Papier gesetzt hat. Unverkennbar sind hier die Nachklänge der Wiener Klassiker zu hören, und ein guter Schuss „Mendelssohn“ ist auch dabei. Einfach ein ganz wunderschönes kleines Stück, das in seinen fünfeinhalb Minuten Spielzeit einfach durch seine vordergründige Schönheit so für sich einnimmt, dass man die etwas arg einfache Anlage gar nicht mehr kritisieren möchte.

Mit „Adagio“ von 1871 folgt ein etwas weniger interessanter Beitrag, bevor sich Catalani in „Contemplazione“ von 1878 erneut als großartiger Melodiker erweist, von dem sich selbst Puccini noch eine Scheibe hätte abschneiden können.
Die das Album beschließende kurze Sinfonie „Il Mattino – Sinfonia romantica“ ist – wie gesagt – ein Frühwerk Catalanis, und obgleich auch hier manch melodische Erfindung zu bezaubern weiß, scheitert der junge Komponist hier doch noch weitgehend am sinfonischen Anspruch – eine Aufgabe übrigens, die er bei „Ero e Leandro“ von 1884 dann selbstsicher im Griff hat.

Kurz und gut: Dieses Album enthält in weiten Teilen ungewöhnlich schöne, melodienreiche Musik, in die man sich einfach nur verlieben kann, wenn man auch nur einen Funken Leidenschaft im Leib hat. Das Orchestra Sinfonica di Roma spielt mit den für es üblichen Wackeligkeiten, insgesamt aber gut und routiniert. Für den Sound der CD gilt Ähnliches: Insgesamt gut, aber nicht Weltklasse. Es stört vor allem, dass sich das Album aus zwei klanglich unterschiedlichen Aufnahmesitzungen speist, die jeweils an verschiedenen Orten stattgefundenen haben (eine Aufnahme im Studio, die andere im Konzertsaal). Das ist immer ein Kardinalfehler, der sich absolut bei jeder Einspielung, die so zusammengestrickt wird, dort rächt, wo es am schlimmsten ist: Beim Endkunden im CD-Player. Ansonsten gibt es hier aber nichts zu meckern. Warme Empfehlung!

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