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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

P. de Sarasate - Transkriptionen und Arrangements
Tianwa Yang (Violine) & Markus Hadulla (Klavier)

(2014)
Naxos

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Pablo de Sarasate - Transkriptionen und Arrangements

Tianwa Yang - nur ein Sarasate-Wunder?

von Rainer Aschemeier  •  8. Februar 2014
Katalog-Nr.: 8.572709 / EAN: 747313270972

Transkriptionen sind schon immer fester Bestandteil des Repertoires von Komponisten der Klassischen Musik gewesen. Schon Johann Sebastian Bach hat sich Lieblingsviolinwerke seines venezianischen Kollegen Vivaldi vorgenommen, um aus ihnen Reizvolles für’s Cembalo zu konzipieren. Später hat unter anderem Wolfgang Amadeus Mozart diese Praxis aufgegriffen und Sonaten von Johann Sebastian Bachs Sohn Johann Christian Bach zu Klavierkonzerten umgearbeitet. Im 19. Jahrhundert aber ist die Praxis, bekannte und beliebte Werke anderer Komponisten für kleinere, salontaugliche Besetzungen zu konzipieren wie auch zu transkribieren, besonders ausgeprägt gewesen.

Pablo de Sarasate war einer derjenigen, die viele solcher Transkriptionen angefertigt haben. Seine Bearbeitungen sind heute aber kaum noch bekannt. Dabei ist Sarasate einer der bekanntesten Geiger seiner Generation gewesen. Für Camille Saint-Saëns oder Édouard Lalo war Sarasate eine ähnliche Inspirationsquelle und ein ähnlicher interpretatorischer Modellathlet wie etwa Joseph Joachim für den Komponisten Johannes Brahms.
Aber de Sarasate, das wird heute oft vergessen, war auch ein sehr begabter Komponist, der sich als reisender Violinvirtuose selbst mit vielen reizvollen Stücken versorgte. Daran hatte es wohl Not, denn es gab zu Sarasates Zeit wohl kaum virtuose Musik genug, die für ihn ausreichend gewesen wäre, um seine Kunst in der virtuosen, showmäßigen Behandlung der Violine adäquat präsentieren zu können.

Bis heute schrecken viele Geiger davor zurück, bestimmte Stücke von Sarasate einzuspielen. Sarasate ist einfach technisch sehr, sehr anspruchsvoll – selbst für die größten unter den Flitzefingern.

Die chinesische Geigerin Tianwa Yang wurde jüngst von der Zeitschrift Fono Forum zum chinesischen Sarasate-Wunder ausgerufen. Das kann man freilich so stehen lassen, aber es ist auch ein inhaltlicher Kurzschluss. Wer so etwas sagt, ignoriert die bisherigen Yang-Einspielungen. Und die reichte schon vor ihrem Sarasate-Zyklus von der Hochromantik der Marke Mendelssohn-Bartholdy bis hin zu Neuer Musik vom Schlage Wolfgang Rihm. Tianwa Yang ist eine Geigerin, die ebenso vielfältig ihr Repertoire aufbaut, wie es anspruchsvoll zu sein scheint.
Tianwa Yang ist weiterhin eine Geigerin, die keine Angst vor Neuentdeckungen hat. Sie sucht die Herausforderung nicht nur interpretatorisch, sondern auch in der Auswahl ihres Repertoires. Wahrscheinlich ist sie die erste Violinistin überhaupt, die das Violin-Gesamtwerk Pablo de Sarasates für Tonträger eingespielt hat. Das geigerische Gesamtwerk, wohlgemerkt, umfasst hierbei nicht nur Sonaten, Solostücke, Transkriptionen und so weiter, sondern auch die anspruchsvollen Solokonzerte.
Tianwa Yang hat diesen Spagat bei ihrer Sarasate-Reihe für das Naxos-Label überzeugend hinbekommen. Mit ihrer neuesten und letzten Sarasate-CD nähert sie sich, wie eingangs erwähnt, den Transkriptionen und Arrangements Sarasates von Musik anderer Komponisten an.

Dabei tauchen bekannte Namen wie Frédéric Chopin, Georg Friedrich Händel, Johann Sebastian Bach oder Joachim Raff ebenso auf wie die Namen heute längst vergessener Komponisten wie etwa Jean-Baptiste Senaillé, Jean-Pierre Guignon oder auch Moritz Moszkowski, wobei letzter heute immerhin eine bescheidene Wiederentdeckung erlebt.

Sarasates Musik ist nicht immer geschmackssicher. Das gilt schon für seine originären Werke. Für seine Transkriptionen gilt es in besonderem Maße. Seine Musik ist allerdings fast immer sehr unterhaltsam, zumindest vom virtuosen Standpunkt aus gesehen äußerst interessant, brillant gesetzt und im Endeffekt vor allem ein großer Spaß. Speziell dieser letzte Punkt gilt allerdings wohl vor allem für das Publikum. Denn diese sauschwierige Musik kann für den Interpreten im Fiasko enden.

Man fragt sich, warum sich eine Interpretin wird Tianwa Yang, die wahrlich ein breiteres Forum finden könnte, um ihre außergewöhnliche Kunst der Violininterpretation zu präsentieren, sich ausgerechnet Sarasate ausgesucht hat. Diese Masochistenmusik, die Sarasate für sein Instrument geschrieben hat, und die vor allem ihm selbst auf’s Interpretenhändchen aufkomponiert wurde, diese Musik ist wahrlich eine Domäne für Spezialisten.
Wie dem auch sei, wer die virtuose Violinmusik vom Schlage Niccolò Paganinis, Edouard Lalos oder unter Umständen auch Brahms, Mendelssohns oder Schumanns wertschätzt, der kann bei Sarasate unter Umständen durchaus auf seine Kosten kommen. Während die Musik Sarasates Geschmackssache ist, ist die Interpretation derselben auf diesem Album objektiv beurteilt eine Weltklasseleistung. Schon einmal hatte ich geschrieben: „Meine Güte, was ist diese Tianwa Yang für eine Geigerin!“ Gerne wiederhole ich dieses Statement an dieser Stelle. Tianwa Yang ist nicht nur eine außerordentlich begabte, spieltechnisch hervorragende, geradezu makellose Geigerin, sie ist zudem auch in der Lage selbst in schwierigsten Passagen das Seelenvolle, Empfundene in ihrer Interpretation nie in den Hintergrund treten zu lassen.

Aus diesem Grund kann man den Kollegen von Fono Forum einerseits nur Recht geben: Ja, Tianwa Yang ist eine Sensation. Aber man muss Fono Forum ebenso auch widersprechen: Nein, Tianwa Yang ist nicht nur eine Sarasate-Sensation. Tanwa Yang ist als Interpretin, als musikalische Persönlichkeit an sich etwas so Außergewöhnliches, wie wir es im Violinbereich in den letzten Jahren nur ganz selten erlebt haben.
Bloße Flitzefinger gibt es in der Fraktion der Violinvirtuosen ja wohlweislich genug, doch solche mit einer so außergewöhnlichen individuellen Ausstrahlung, solche mit der Fähigkeit auch im Getümmel der Noten weiterhin das Wesen der Musik zu erkennen, solche gibt es nicht viele. Vielleicht gibt es von dieser Sorte Musiker heute sogar nur noch eine Handvoll oder weniger. Tianwa Yang gehört zu jener auserlesenen Fraktion von Geigerinnen, und man kann ihren Sarasate-Zyklus insgesamt nur loben. Das gilt auch für diese letzte CD aus der Reihe.

Da dieses Album auch mit einem zeitgemäßen und schönen, transparenten Sound gesegnet ist, bleibt mir nichts mehr übrig, als hier zu postulieren, dass wir es mit einer rundum gelungenen Aufnahme zu tun haben. Schon wieder. Tianwa Yang ist auf dem Weg an die internationale Weltspitze, und wenn ihr Weg einer ist, der möglicherweise etwas länger dauert, so ist das für uns Hörer nur zu begrüßen.
Während Major Labels wie Deutsche Grammophon, Decca, oder Warner Classics Tianwa Yang längst in die Standardrepertoireecke geschubst hätten, ist Naxos mutig genug, sein bestes Pferd im Geigenstall auch weiterhin mit reizvollem Nischenrepertoire reüssieren zu lassen. Wahrscheinlich hat dies bald ein Ende, denn spätestens nun, wo auch die großen Fachmagazine auf die Chinesin aufmerksam geworden sind (wir bei the-listener.de sind es ja schon lange), ist davon auszugehen, das Tianwa Yang nun auch die großen Violinkonzerte der Musikgeschichte für Naxos einspielen wird.
Das Mendelssohn-Konzert hatte sie bereits in einer Neueinspielung vorgelegt, wobei hierzu zu sagen ist, dass die Orchesterbegleitung durch die Sinfonia Finlandia Jyväskylä unter Patrick Gallois mehr zu wünschen übrig ließ, als die fabelhafte solistische Leistung Tianwa Yangs (Rezension siehe hier).
Sollte Naxos also darauf bestehen, dass Yang demnächst auch Beethovens Violinkonzert oder Brahms‘ Violinkonzert in neuen Aufnahmen vorlegt, dann sollte pfleglichst dafür gesorgt werden, dass auch die Orchesterbegleitung auf ähnlich hohem Weltniveau stattfindet, wie es der solistische Vortrag nahelegt. Und da reichen leider die Fähigkeiten der Sinfonia Finnlandia bei Weitem nicht aus. Das Thema Tianwa Yang bleibt also auch nach dem Abschluss ihres aufsehenerregenden Sarasate-Zyklus‘ sehr spannend.

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