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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

S. Rachmaninoff - Works for Orchestra and Choir
diverse Orchester - E. Swetlanow / D. Kitayenko

(2013)
Melodiya / Vertrieb: Naxos

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Sergej Rachmaninoff - Works for Orchestra and Choir

Die sagenumwobenen Swetlanow-Referenzen - hier alle in einer handlichen Box

von Rainer Aschemeier  •  29. November 2013
Katalog-Nr.: MEL CD 10 02090 / EAN: 4600317120901

Die sinfonische Musik von Sergej Rachmaninoff wird allzu gern ins „Kitsch-Fach“ gesteckt, was immer dann besonders unverständlich ist, wenn man einmal einen Interpretationsvergleich unternimmt. Zwar ist nicht auszuschließen, dass sich einige von Rachmaninoffs Werken dazu eignen, den Schmalztopf herauszuholen, aber meistens zeigt sich im Vergleich mehrerer Einspielungen, dass es die Interpreten sind, die Rachmaninoffs Musik in diese Ecke schubsen – weniger die Werke selber.

Einer, der wusste, wie man Rachmaninoffs Musik hoch dramatisch gibt, der bei dieser Musik ein Orchester förmlich zum Bersten bringen konnte, der aber auch die leisesten, feinsten Nuancen zum Vorschein brachte, der Rachmaninoff so als dauernden Grenzgang interpretierte, dass man seine Musik plötzlich als existenzialistische Gratwanderung hören konnte, war Evgenij Swetlanow.
Auf einer neuen Box des russischen Melodiya-Labels sind nun zum günstigen Preis seine sinfonischen Referenzaufnahmen von Rachmaninoffs Sinfonien (Nr. 1 bis 3) und die sinfonischen Dichtungen „Der Fels“ und „Die Toteninsel“ sowie das populäre „Capriccio Bohémien“ versammelt. Und wer diese Aufnahmen je gehört hat, der wird Rachmaninoffs Bedeutung als Komponist kaum unterschätzen können.
Swetlanow hat aus dieser Musik alles herausgekitzelt, was man sich nur wünschen kann. Einzigartig, phänomenal!

Man höre etwa den phänomenalen Klimax in „Die Toteninsel“. Wer traut sich heute noch, ein Orchester derart brachial und brutal auf die Palme zu treiben? Und überhaupt, wie schön flüssig sind hier die „Ruderschläge“ Charons verwirklicht, wie frühlingshaft, impressionistisch und lind wirkt hier der Beginn von „der Fels“! Das ist ganz großes Kino, und noch besser wird es in den Sinfonien. Sweltlanow war ein großer Meister darin, musikalische Zusammenhänge hörbar zu machen.
Die russischen Blechbläser und vor allem Holzbläser dieser Zeit sind derweil absolut atemberaubend. Wenn hier auch nicht jeder Ton 100%ig getroffen wird, so waren diese Musiker doch noch bereit, die absolut äußersten Grenzen ihrer Physis auszuloten. Das ist Musik am Limit, ein Drama, das uns heute noch auf der Stuhlkante mitfiebern und die „Nummer Sicher“-Einspielungen der Neuzeit müde belächeln lässt.

Wer Rachmaninoff als äußerstes Wagnis hören will, als kompletten Offenbarungseid, als ultimative Hingabe muss diese Swetlanow-Einspielungen gehört haben. Wenn man sich auch das eine oder andere Mal darüber streiten kann, ob man immer bis zum Alleräußersten hätte gehen müssen, ob manches hier nicht auch arg inszeniertes Drama ist, so kann man doch nicht umhin auch die unbestreitbar objektiven Vorzüge dieser Aufnahme zu loben.

Wo ist etwa der Beginn der „Sinfonischen Tänze“ so punktgenau und exakt wie hier, wo sind diese Stücke ähnlich spritzig und geheimnisumwittert eingespielt?
Und übrigens: Wo ist auch der Sound so charmant? Zugegeben: Von „gut“ wird man hier kaum sprechen wollen, doch der russische Röhren-Sound der 1960er- und 1970er-Jahre, der in den Fortissimi bis zum Verzerren geht, ist einfach sagenhaft authentisch, ehrlich und schön. Auch so etwas gibt’s heute nicht mehr. Der einzige Minuspunkt: Die CDs dieses Sets (ingesamt sind es fünf) sind untereinander von unterschiedlicher Grundlautstärke, sodass man auf jeden Fall nachpegeln muss, wenn man die CD wechselt. Innerhalb eines geschlossenen Sets hätte man das nachjustieren können und auch müssen. Ansonsten bin ich absolut begeistert!

Als „Bonus“ zu den Sinfonien, Sinfonischen Tänzen und Tondichtungen gibt es noch ebenfalls sehr reizvolle Aufnahmen der Kantaten „Frühling“ und „Die Glocken“ sowie die selten eingespielten „Drei russischen Lieder“ in Einspielungen von Ewgenij Swetlanow und Dmitri Kitayenko.

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