Der ZaubergartenMaria Lettberg interpretiert Klaviertranskriptionen, inspiriert von russischen Märchen - wahrlich zauberhaft!von Rainer Aschemeier • 24. November 2013
Wer sich schon einmal das Vergnügen gegönnt hat, russische Märchen zu lesen, weiß, dass diese ganz anders geartet sind, als unsere deutschen Gattungsbeispiele. Zu sehr sind wir von den zur Gewohnheit gewordenen Märchensammlungen der Grimms, Hauffs und Andersens dieser Erde beeinflusst, als dass wir uns heute unter dem Märchenbegriff noch viel anderes vorstellen können. Ein Hauptcharakteristikum der viel ursprünglicher gehaltenen, weniger durch die literarische Romantik verkünstelten russischen Märchen ist zum Beispiel, dass eine durchgehende Handlung, quasi ein „roter Faden“, der eine Geschichte durchwebt, viel weniger von Bedeutung ist, als in den Märchen, die wir von Kindesbeinen an für gewöhnlich hören. Übertragen auf Musik bedeutet all das, dass die russischen Märchen streng genommen viel mehr Raum für subjektive Deutungen zulassen. Das machte diese Märchen einerseits immer sehr reizvoll für Komponisten und bewahrte die dadurch entstandenen Kompositionen vor der Reizlosigkeit allzu schnell gewahr werdender Programmatik. Und so haben sich vor allem die Komponisten des „Mächtigen Häufleins“ – also jener Vereinigung, die eine nationalrussische Musiktradition begründen wollte – in der Nachfolge Mikhail Glinkas tüchtig aus dem russischen Märchenkanon bedient. Besonders fleißig ist Nikolai Rimsky-Korsakow gewesen, der mehrere Märchenopern geschrieben hat, die, während sie hierzulande fast vergessen sind, in der anglophonen Welt und in ihrer Heimat Russland derzeit spürbar an Bedeutung und Beliebtheit beim Publikum gewinnen. Die über Schweden nach Berlin ausgewanderte Lettin Maria Lettberg hat auf ihrem charmanten Recital-Album „Der Zaubergarten“ Kompositionen Glinkas, Rimski-Korsakows und Strawinskys ausgewählt, die eigentlich in den Welten von Ballett und Oper entstanden sind. Nachfolgende, zum Teil bedeutende russische Komponisten wie etwa Sergej Liapunow, Sergej Rachmaninoff, Alexander Siloti und auch „nicht-russische“ Komponisten wie Franz Liszt haben diesen Stücken dann durch Transkription ein Klaviergewand angezogen, dass – ich bleibe mal in diesem Bild – mal mehr, mal weniger gut zu passen scheint. In jedem Fall aber ist es höchst unterhaltsam dabei zuzuhören, wie sich Maria Lettberg hier mit Musik umgibt, die eine wunderbare Melange aus russischer Spätromantik und russischer Märchenseele repräsentiert. |
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