F. Schubert - Winterreise (2013)
• • • Franz Schubert - Winterreisezwischen zwei Polen der Schubert-Interpretationvon Ulrich Hermann • 20. November 2013
„Mit meinen heißen Tränen“ (später umbenannt in „Notturno“) heißt der Film über Franz Schuberts letzte Jahre, der 1986 von Fritz Lehner als Dreiteiler im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Udo Samel spielt die Hauptrolle und singt im dritten Teil ein Lied (Die Krähe) aus der Winterreise, sich selbst an einem ausgespielten Klavier begleitend – fürchterlich, aber ungeheuer eindrucksvoll und authentisch. Er singt nicht schön, hat keine sogenannte ausgebildete Stimme, aber den Inhalt und auch die verzweifelte Stimmung dieses Liedes trifft er mit nachtwandlerischer Sicherheit. Andererseits gibt es auch eine Schubert-CD von Hannes Wader, der behauptet, man müsse Schubert-Lieder so singen wie ein evangelischer Pastor – und so singt er, der Norddeutsche, sie auch, einfach grauenhaft. Zwischen solchen Polen – die man noch ausweiten könnte auf allerlei Verdächtiges, wenn es um die Goldene Zitrone geht – bewegt sich die Wiedergabe der Lieder des österreichischen Genies. Und gerade sein letzter Zyklus „Winterreise“, den auch die engsten Freunde nur mit äußerlichem und innerem Kopfschütteln anhörten, ist eine Utopie, wie jedes große Musikwerk. Für jeden Sänger sind diese 24 Lieder ein Ziel und ein Prüfstein. Es gibt ungezählte Aufnahmen vom Beginn der Schallplattengeschichte an bis heute. Nun ist eine neue CD erschienen mit dem Bariton Michael Kupfer (*1972), produziert von Gustav Kuhn, der ja der Initiator und Leiter der Festspiele in Erl ist und auch einen Beitrag im Booklet verfasste, in dem er über die Zielsetzung dieser Neueinspielung Auskunft gibt. Zusammen mit der armenischen, in Deutschland lebenden Pianistin Margarita Organesjan fand die Aufnahmen dieses Zyklus im Kloster „Convento dell’Angelo“ in der Nähe von Lucca statt. „Ein Zyklus schauerlicher Lieder“ (so der Untertitel der CD), von dem Schubert selbst gesteht, dass ihn die Komposition mehr angegriffen habe als alles andere zuvor. Entstanden sind sie in seinem letzten Lebensjahr 1828 in zwei Teilen, wie auch die Gedichte von Wilhelm Müller erschienen. Mit dem Gefühl des Fremdseins, das ja den Wanderer bis zum Schluss nicht mehr verlässt, beginnt die Winterreise, und Sänger Michael Kupfer und Pianistin Margarita Oganesjan lassen die wehmütige Stimmung im rechten Maß und Klang aufblühen. Die weiche, baritonale Stimmfülle nimmt den Hörer sofort mit auf die Tour d’hiver , wozu die sensible Begleitung der Pianistin den spürenden Boden bereitet. Die Stimme von Michael Kupfer überzeugt mit Wohlklang und Fülle, wo leise Töne angebracht sind, kommen sie, auch die notwendigen Steigerungen bis zum fortissimo bereiten dem Sänger keinerlei Schwierigkeiten, wenngleich an einigen Stellen der Eindruck des Forcierens sich einstellt. War Michael Kupfer hier wirklich ganz auf der Höhe seines unbestrittenen stimmlichen Könnens? Die Klavierbegleitung kann ich mir kaum einfühlsamer und intensiver vorstellen. Margarita Organesjan spielt auf dem allerdings keineswegs optimalen Flügel so überzeugend und zutiefst musikalisch, dass es eine wahre Wonne ist. Sie breitet in den Liedern genau den Klang- und Energieraum aus, in den der Sänger mit Freuden eintreten kann. So entsteht die beabsichtigte Einheit von Stimme und Begleitung, die diese Schubert-Lieder zu etwas Besonderem werden lässt. Würde Michael Kupfer sich noch intensiver mit Text und Artikulation befassen – die überflüssigen Zusammenziehungen von Worten (sollich satt soll ich) oder die „h“-s (ni-h-immt), obwohl er das mit ungezählten anderen Sängerinnen und Sängern gemeinsam hat – die Ausbildung ist eben einfach zu sehr nur auf den Schönklang der Stimmen angelegt –, dann wäre das Ziel, eine „wahrhaftige“ Aufnahme dieses einzigartigen Liederkreises zu schaffen, weit überzeugender erreicht. Ich will jetzt gar nicht weiter ausholen darüber, wie störend ich das empfinde. Auch über die recht nivellierten Tempi bei vielen der Lieder ließe sich wahrhaft streiten… Ein Wort noch zum Booklet. Es ist – gelinde gesagt – eine Lächerlichkeit: Den Rennfahrer Niki Lauda zum maßstabsetzenden Philosophen hinauf zu stilisieren, ist eine Frechheit in diesem Zusammenhang. Auch die Entschuldigungen zu Aufnahme-Ort, Instrument und Mikrofon-Aufstellungen wirken wie fishing for compliments. Und das hat diese Aufnahme, die unter einem schlechten Flügel und dilettantischer Aufnahmetechnik leidet, letztlich doch nicht nötig. |
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