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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Dmitri Schostakowitsch - Violin- & Violasonate: Fassung für Streichorchester
Kremerata Baltica - Gidon Kremer & Yuri Bashmet

(2006)
Deutsche Grammophon

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Dmitri Schostakowitsch - Violinsonate op. 134 & Violasonate op. 147 in Umarbeitung für Streichorchester

Kremerata Baltica - Gidon Kremer (Violine & Dirigat) - Yuri Bashmet (Viola)

von Rainer Aschemeier  •  2. November 2006

Ein vermeintlicher Klassik-Trend der jüngsten Zeit äußert sich in einer zunehmenden Zahl umarrangierter Kammermusikkompositionen. Mitte des Jahres erschien z. B. die mediokre Brilliant Classics-Gesamteinspielung der zu sog. Kammersymphonien umarrangierten Streichquartette Schostakowitschs. Erst vor Kurzem zauberte das Naxos-Label eine ebenfalls höchst mittelmäßige Streichorchester-Ausgabe einiger Schumann-Streichquartette aus dem Hut.

Blicken wir doch einmal ein wenig zurück in die Geschichte und fragen uns, ob es sich bei der Umarbeitung von Kammermusik für Streichorchester wirklich um einen modernen Trend handelt. Wer dieser Frage nachgeht, wird schnell feststellen, dass dem nicht so ist. Der Höhepunkt der Entwicklung liegt vielmehr gut 100 Jahre zurück, als Gustav Mahler Cheftyrann der Wiener Philharmoniker war. Mahler gilt als Urheber einiger Bearbeitungen von Beethoven-Streichquartetten und anderen Werken für Kammerorchester. Damals bereits verteufelten selbsternannte „Kenner“ dies als das ultimative Sakrileg an der Kammermusik. Sie begründeten ihre Ansicht damit, dass ein Streichorchester natürlichermaßen nicht die Intimität eines Streichquartetts oder einer wie auch immer gearteten kleinen Kammermusikbesetzung vermitteln könne, wodurch der vom Komponisten gewollte musikalische Ausdruck verzerrt werde. Befürworter der Neuarrangements entgegneten, dass Kammermusik auf diese Weise auch einem großen Publikum zugänglich werde – da ein Streichorchester akustisch gesehen auch große Säle zu füllen vermag. Zudem würden Zusammenhänge zwischen der kammermusikalischen und der symphonischen Kompositionsweise des jeweiligen Komponisten hörbar. Grabenkämpfe wie diese findet man auch heute noch – in Feuilletons, unter Konzertbesuchern, unter CD-Fans.

Im Oktober nun überraschte die Deutsche Grammophon – ihres Zeichens der Dinosaurier unter den Klassik-Labels und nicht eben für die Ausweidung von Nischenrepertoire bekannt – mit einer höchst interessanten CD, die eine Streichorchesterbearbeitung der Violinsonate und der der Bratschensonate des russischen Sinfonikers Schostakowitsch beinhaltet. Dies geschah im Rahmen einer Label-Offensive der Deutschen Grammophon zum 100. Geburtstag des Komponisten, die mehrere hochkarätige Veröffentlichungen umfasste, wenngleich diese im Wesentlichen Re-Releases waren.

In der Tat gehören sowohl Schostakowitschs Violinsonate als auch die Violasonate zu seinen von der Anlage her „symphonischsten“ Kammermusikwerken. Jeden, der die Stücke kennt, dürfte es daher reizen, zu erfahren, wie diese als „Kammerkonzerte“ klingen – was sie ja nun durch die Bearbeitung für Streichorchester und Solisten tatsächlich geworden sind. Für die Umarbeitungen zeichnen der Geiger Michail Zinman und der Perkussionist Andrej Pushkarev (Violinsonate) sowie der namhafte rumänische Bratschist und Komponist Vladimir Mendelssohn (Violasonate) verantwortlich. Interpreten der CD sind das namhafte Kammerorchester „Kremerata Baltica“ unter dem Dirigat ihres Gründers Gidon Kremer. Kremer – einer der bekanntesten und besten Violinvirtuosen des 20. und 21. Jh. – spielt bei der Violinsonate auch die Solostimme, agiert jedoch bei der Bratschensonate „nur“ als Dirigent. Die Solostimme wird hier von Yuri Bashmet übernommen, der noch vor Kurzem als Konzertpartner von Anne-Sophie Mutter bei der Neuaufnahme von Mozarts „Sinfonia Concertante“ auftrat.

Das Ergebnis dürfte eine der wohl überzeugendsten CDs zum Schostakowitsch-Jahr 2006 sein. Sowohl Violin- als auch Bratschensonate funktionieren als Kammerkonzerte einwandfrei, verlieren etwas von ihrer Sperrigkeit. Zugegebenermaßen verliert die Bratschensonate gerade im mysteriösen von Todesahnungen durchzogenen Adagio auch viel von ihrer herzzerreißenden Innigkeit. Trotzdem stellt gerade sie das Highlight der vorliegenden Aufnahme dar. Besonders wirkungsvoll sind die klug positionierten und äußerst sparsam eingesetzten Percussion-, Vibraphon-, und Celesta-Parts in den neu entstandenen Kammerkonzerten. Es wäre sehr zu wünschen, dass sich die genannten Stücke in der hier eingespielten Fassung im Konzertrepertoire in Zukunft dauerhaft etablieren, ähnlich wie dies mit Rudolf Barshais Orchesterfassungen von Schostakowitschs Streichquartetten – den sog. Kammersymphonien – schon geschehen ist.

Was Interpretation und Klang angeht, so ist die vorliegende Aufnahme ein wahr gewordener Hifi-Traum: Die Kremerata Baltica inkl. der genannten Solisten spielt die Musik mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein und vollkommener Präzision ohne die „leisen Töne“ der Kompositionen zu vernachlässigen. Man hört hier echtes „Musikantentum“ im besten Sinne: ein kompromissloses Wirken für die Komposition ohne affektierte Selbstdarstellungsambitionen.

Der Sound der Aufnahme könnte ebenfalls nicht besser sein: Tonmeister Philipp Nedel hat den Klang der Kremerata Baltica exzellent eingefangen, von den scharf akzentuierten hohen Streichern angefangen bis hin zu den präsenten und dynamischen Kontrabässen – perfekt! Alles in allem ist dies eine CD bei der man als Rezensent das Problem hat, dass selbst die Höchstnote kaum auszureichen scheint, um die Qualität der Aufnahme adäquat würdigen zu können. Muss man hören!

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