Das romantische Schwedenvon Ulrich Hermann • 28. Oktober 2013 Volker Tarnow (Texte) & Helga Schönweitz (Fotos) Quel livre! –Vilken bok! Welch ein Buch! Zehn Jahre lang bereisten der Autor, einer der beschlagensten Berliner Musikkritiker, und die gleichfalls ausgezeichnete Fotografin das große Land Schweden von Süden nach Norden, von Ost nach West, um nicht nur Schwedens Natur, sondern auch Schwedens Kultur auf die scheinbar verschollenen Schliche zu kommen. Sie haben ein Buch mit 70 schwedischen Künstlerinnen und Künstlern der romantischen Ära – Malern, Komponisten und natürlich Schriftstellern – von ihren Entdeckungsreisen mitgebracht, wie es ein Solches bisher in unserer Sprache nicht gab. Dann setzte ich meinen Plan wirklich um, lernte bei einem hervorragenden Dozenten – Hans Ritte – an der Uni Schwedisch. Auf einer Reise 1969 entdeckte ich in einem Liederbuch zwei Lieder von Carl Michael Bellman in der Übersetzung von Carl Zuckmayer, und dann war es endgültig um mich geschehen: Ich wusste nun, warum ich diese Sprache gelernt hatte. Doch genug der Worte, die den Hintergrund meiner Begeisterung für dieses wunderbare, weite Türen öffnende Buch verständlich machen sollen: auch für den erfahrenen Erkunder eine immense Bereicherung! Wie es den Autoren gelingt, mit Text und Bild die ganz eigene Spannung dieses Landes und der aus ihr erwachsenen Künstlerinnen und Künstler klar erlebbar werden zu lassen, ohne dass die Fülle des Dargebotenen je langweilig oder langwierig würde, ist bemerkenswert. Atemlos folgte ich den beiden auf ihren Wegen durch die verschiedensten Landschaften, Epochen und Ereignisse. Sehr begrüßenswert sind in dieser prächtigen Kompilation zudem die vielen Bilder der besprochenen Maler, neben den Fotos ein Bestandteil des umfangreichen Buches. Und dass in München in der Kunsthalle gerade in den vergangenen Monaten eine hoch interessante Ausstellung mit Gemälden nordischer Künstler von 1860 bis 1920 zu sehen war, verleiht für alle, die es sehen konnten, dem Ganzen gewiss zusätzlichen Reiz, den auch das Fehlen eines der bedeutendsten schwedischen Komponisten der Epoche, nämlich Wilhelm Stenhammar, der in seiner gelehrten Universalität wahrscheinlich keiner Region als mit seinem Schaffen typisch zuzuordnen war, nicht allzu sehr schmälern kann. Ein paar kritische Anmerkungen: Außerdem sind die Übersetzungen von Bellman herkömmlich missraten, und es heißt auch nicht ‚Fredmans Gesänge’, sondern ‚Fredmans Lieder’. (Es sind dies die einzigen Gedichte, die Autor Tarnow nicht selbst übersetzt hat, und seine Übersetzungen sind durchgehend vorzüglich!). Das Instrument, das Bellman spielte, und mit dem zusammen er auch auf jenem berühmten – von Gustav III. persönlich in Auftrag gegebenen – Staatsportrait abgebildet ist, ist übrigens auf deutsch eine Cister. Sie ist auch kein Lauteninstrument, sondern eine ganz eigene Instrumenten-Familie, aus dem Mittelalter kommend. Und sie hat einen abgeflachten Boden und doppelt-bezogene Metallsaiten, die sich seltener verstimmen, was die Beliebtheit in Schweden und vor allem in England, aber auch in Deutschland ausmachte. Ein bekannter Cistern-Bauer kam aus Hamburg: Joachim Tielke. Von ihm besaß Bellman – als Erbe seines Großvaters – sogar ein kleines glockenblumenförmiges ‚Citrinchen’. Nach dem ersten Lesen wird die Lust größer und größer, sich dem Land und seiner umfassenden Kultur immer mehr zu nähern und auf weitere Entdeckungsreisen zu gehen, sei es bildnerisch, musikalisch oder literarisch. Grandios! |
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