D. Schostakowitsch - Sinfonie Nr. 4 (2013)
• • • • Dmitri Schostakowitsch - Sinfonie Nr. 4Die Fortsetzung von Petrenkos viel beachtetem Schostakowitsch-Zyklusvon Rainer Aschemeier • 30. September 2013
Vasily Petrenkos weltweit stark beachteter und zum Teil begeistert aufgenommener Schostakowitsch-Zyklus nähert sich der Zielgeraden. Mit der großartigen vierten Sinfonie, die der Komponist 1936 aufgrund politischer Repressalien zurückziehen musste, und die dadurch erst 1961 uraufgeführt werden konnte, hat Petrenko mit seinen Liverpoolern nun eine der ungestümeren Sinfonien des St. Petersburger Komponisten eingespielt. Sie atmet noch zu großen Teilen den radikalen Modernismus/Futurismus des frühen Schostakowitsch, den dieser in seinen bis heute ungewöhnlich und zuweilen krude anmutenden Sinfonien Nr. 2 und 3 kultiviert hatte. Kompositorisch ist die Sinfonie Nr. 4 nach meinem Dafürhalten ein wichtiges Highlight im Gesamtzyklus der 15 Schostakowitsch-Sinfonien – und in dieser Hinsicht steht die Vierte etwas ungerechtfertigt im Schatten der sie überstrahlenden Fünften, die allerdings (und auch das kann man kaum bestreiten), bis heute ein Leuchtturmwerk der Sinfonie im 20. Jahrhundert ist. Petrenkos Schostakowitsch zeichnete sich bislang durch kompromisslose Präzision, äußerst fein ausziselierte Dynamik und eine gewisse „Kultiviertheit“ aus, die zwar die feinen Strukturen der Werke bilderbuchartig offen legt, die aber die dramatischen Zerrüttungen dieser Musik manchmal nicht adäquat widerzuspiegeln imstande ist (siehe hierzu auch die Rezension von Petrenkos Einspielung der populären Siebten, die bei Naxos im Mai dieses Jahres erschienen ist). Beim dreisätzigen Schwergewicht der vierten Sinfonie ist Petrenkos Zurückhaltung durchaus ein Pluspunkt. Neigen viele Dirigenten bei diesem Werk doch allzu schnell dazu, vor allem das Kratzbürstige und „Krawallige“ an diesem für Sowjetverhältnisse avantgardistischen Werk hervorzuheben. Manchem Schostakowitsch-Freund wird auch bei dieser Aufnahme wieder die Härte und Schärfe des Zugriffs fehlen. Und das kann man durchaus als Manko auffassen. Es bleibt jedoch ein unbestreitbares Verdienst Vasily Petrenkos Schostakowitschs Sinfonien so luzide und durchhörbar zu gestalten, wie es wenige vor ihm bislang geschafft haben. Eine unverkennbare Nähe zum Schostakowitsch-Zyklus Mariss Jansons ist indes auch bei dieser Folge der Petrenko-Gesamteinspielung wieder unüberhörbar. Dabei will ich nicht behaupten, dass Petrenko keine eigene interpretatorische Vision zu bieten hätte. Es geht bei dieser Bemerkung vielmehr um eine ästhetische Auffassung, bei der Petrenko und Jansons einfach nah beieinander liegen. |
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