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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

A. Lortzing - "Regina"
Münchner Rundfunk-Orchester, Prager Philharmonischer Chor - Ulf Schirmer, div. Solisten

(2013)
cpo / Vertrieb: jpc.de

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Albert Lortzing - "Regina"

Überraschende Lortzing-Entdeckung in Top-Interpretation

von Rainer Aschemeier  •  14. September 2013
Katalog-Nr.: cpo 777 710-2 / EAN: 761203771028

„Wir wollen nicht,
was hätten wir davon?
Auch noch besondre Liebespflicht,
bei solchem kargen Lohn!
Wird unser Fleiß nicht anerkannt,
so rühret keiner eine Hand!“

Huch, was haben wir denn da? Ein dichterisches Produkt der aktuellen Wahlkampfstimmung? Nein, kann nicht sein… Wahlkampf findet in Deutschland ja nicht statt.
Was ist es dann?

Es ist die überraschende Eröffnung von Albert Lortzings Oper „Regina“. Sie beginnt tatsächlich mit der Szene eines Arbeitskampfs im Umfeld der 1848er Revolution.
Doch das ist nur der Auftakt dieser an und für sich konservativ und obrigkeitstreu gestimmten Oper. Die revoltierenden Arbeiter entpuppen sich in Lortzings Libretto später als ziemliche Dreckskerle, nur der dem Fabrikbesitzer treu ergebene Vorarbeiter, der sich mit Schmalz und Tücke die Aufständlerischen zum eigenen Vorteil wieder brav und arbeitsam redet/singt, kommt hier als das „Schlitzohr“ gut weg.
Auch wenn derlei Charaktere heute kaum noch sympathisch wirken, zeigt das doch, dass Lortzing alles andere als einen „Aufreger“ im Sinn gehabt haben dürfte, als er „Regina“ schrieb. Doch das hat schon damals niemand verstanden. Warum sollte man es heute verstehen? Ein Blick in den ziemlich abgeschmackten und von fehlgeleitetem Textverständnis geprägten Wikipedia-Artikel zu dieser Oper zeigt: Auch heute kann man Lortzings Oper – wenn man es denn unbedingt will – als „Revoluzzerstück“ deuten. Auch wenn der Text eine andere Sprache spricht. Die Oper besteht eben aus drei Akten, nicht nur aus dem ersten.

Mit der nun vorgelegten cpo-Einspielung dieses heute weitgehend vergessenen Lortzing-Stücks, das seinen Urheber einst den „Job“ kostete und ihn gesellschaftlich diskreditierte, hat das Label erneut eine Lücke der Musikgeschichte auf sehr qualitätvolle Weise geschlossen. Erstmals erklingt hier nämlich die komplette, ungekürzte Originalfassung, bei der auch keine Verstellungen der Szenen stattgefunden haben.

Das Ergebnis ist eine weitere Lortzing-Oper, die – wie alles aus der Hand des Berliner Komponisten – trefflich zu unterhalten versteht. Musikalisch darf man hier keine Revolutionen erwarten. Während aber etwa Louis Spohr zurzeit (und das ganz berechtigterweise) eine Phase der Wiederentdeckung feiert, fragt man sich, warum dies nicht auch mit Lortzings Opern geschieht? So weit entfernt von Spohr ist Lortzing stilistisch nämlich nicht, und das hier und da vielleicht fehlende Quäntchen Anflug von Genie (das bei Spohr unbestreitbar vorhanden ist) wird bei Lortzing durch ein natürliches Gespür für einprägsame Melodien und ein mehr als solides Komponierhandwerk wieder wettgemacht.

„Regina“ gibt Zeugnis davon, dass auch das weithin unbekannte Lortzing-Werk hörenswert und eher unterschätzt ist.
Dass das Gesamturteil sehr positiv ausfällt, liegt in diesem Fall aber auch an einer sehr guten Einspielung. Das Münchner Rundfunkorchester unter Ulf Schirmer ist für diese Oper interpretatorisch ein Glücksfall: Schlank, agil und im positiven Sinne unauffällig wandelt man in dieser „Regina“-Interpretation auf solidem Pfad. Das ausgezeichnete Sängerensemble, in dem vor allem der einfach tolle Bariton Detlef Roth als „Werkmeister“ Stephan herausragt, ist trefflich ausgewählt. Auch an dieser Stelle gibt es absolut nichts zu meckern.
Das Positivste an dieser Aufnahme dürfte aber der Prager Philharmonische Chor sein, der bei den zahlreichen Chorpartien dieser Oper einen wirklich umwerfend guten Eindruck hinterlässt.

Einzig und allein der Aufnahmeklang wirkt etwas flach. Es fehlt an Dynamik, Strahlkraft und „Wumms“ im Basskeller. Dafür kann man aber nicht cpo verantwortlich machen, da es sich hier um eine Koproduktion mit dem Bayerischen Rundfunk handelt, der hierbei auch für den nur mittelklassigen Sound verantwortlich zeichnet. Wie dem auch sei: Man hat hier keine Wahl. „Regina“-Einspielungen gibt es nicht wie Sand am Meer. Und da es hier eine wirklich tolle Interpretation mit einem ausgezeichneten Sängerensemble zu hören gibt, kann man in punkto Klang mal ein Auge zukneifen.

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