J. Brahms - Ein deutsches Requiem (2013)
• • • • Johannes Brahms - Ein deutsches RequiemMarin Alsops Brahms-Gastdirigat in Leipzigvon Rainer Aschemeier • 2. September 2013
Marin Alsop hat sich spätestens mit der Gesamteinspielung der Brahms-Sinfonien mit dem London Philharmonic Orchestra einen sehr guten Ruf als Brahms-Interpretin erkämpft. Ein Kampf war es schon allein deshalb, weil Dirigentinnen es in der noch immer maskulin geprägten Klassik-Welt perse nicht leicht haben. Doch Alsop geriet mit ihrer gezügelten, durch und durch konservativen Brahms-Deutung auch anderweitig in die Kritik. Nun also folgt eine aufsehenerregende Neueinspielung von Brahms‘ „Ein deutsches Requiem“. Aufsehenerregend ist das für den deutschen Klassik-Markt auch deshalb, weil Marin Alsop hierbei dem MDR-Sinfonieorchester Leipzig und seinem nach wie vor ausgezeichneten Rundfunkchor vorsteht. In den letzten Jahren schon hatte sich abgezeichnet, dass sich das MDR-Sinfonieorchester unter der Ägide von Jun Märkl zu neuen Höhen aufzuschwingen vermocht hatte. Mit dem neuen GMD Kristjan Järvi hatte man nach Märkls Abgang dann erneut eine sehr gute Wahl getroffen, und die Entscheidung, Marin Alsop als Gastdirigentin zu verpflichten, ist in meinen Augen ein weiterer Pluspunkt aufseiten der Entscheidungsträger beim MDR. Mit dem hervorragenden MDR-Orchester und dem nicht weniger als fantastischen MDR-Chor gelingt Alsop eine rundum überzeugende Interpretation von Brahms‘ Jahrhundert-Meisterwerk. Man höre etwa auf die vorzügliche Diktion des Chors, auf die äußerst sensible dynamische Behandlung der Orchesterstimmen, nicht nur im zweiten Satz, diesem immerwährenden musikalischen Weltwunder. Marin Alsop hat zudem auch das richtige Händchen für den „großen Bogen“, versteht es, Brahms‘ Requiem als Gesamtkunstwerk ein großes Ganzes sein zu lassen. Die Gesangssolisten wissen ebenfalls zu überzeugen. Stephan Genz besitzt eine vorbildlich hell gefärbte, von großer Emotionalität durchdrungene Baritonstimme. Die erst 23-jährige Widmer-Schülerin Anna Lucia Richter überzeugt ebenfalls mit ihrem lyrischen, weichen Sopran. An der Einspielung beeindruckt ferner die unbedingte Akkuratesse, die Marin Alsop mit diesen musikalischen Kräften erzeugt. Das ist aller Ehren wert und lässt keinen Raum für haarspalterische Kriteleien. Fazit: Diese Aufnahme des Brahms-Requiems ist grundsolide, dynamisch wunderbar ausdifferenziert und sehr sehr gut interpretiert. Die Aufnahmequalität ist dank der bewährten Kunst des hervorragenden Naxos-Tonmeisters Tim Handley ebenfalls im tief grünen Bereich. Am Ende bleibt nur ein Problem: Wie bei bislang allen Brahms-Interpretationen von Marin Alsop fehlt es etwas an Individualität, an der eigenen Handschrift, wenn man so will (siehe zu diesem Punkt diese phänomenale Neudeutung des Brahms-Requiems , die ebenfalls in diesem laufenden Jahr erschienen ist). Man mag das als allgemeines Defizit von Alsops Dirigaten ansehen, man kann das aber sehr wohl auch positiv auslegen. Letzten Endes bleibt dieser Punkt die Geschmackssache an einer objektiv betrachtet kaum kritisch angreifbaren Einspielung. |
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