"The Unknown Sibelius"Unbekannt = gut?von Rainer Aschemeier • 12. Juli 2013
Um zu erfassen, dass „unbekannt“ und „gut“ zwei völlig verschiedene Wortbedeutungen haben, muss man nicht erst in den DUDEN gucken. Trotzdem sitzt der Geldbeutel oft locker, wenn ein Label mit etwas bislang „Unbekanntem“ von einem der großen Komponisten auf den plan tritt. Etliche CDs werben mit „the unknown Beethoven“ oder eben den Namen anderer großer Komponisten. Das schwedische BIS-Label, bekannt für seine durchweg in audiophiler Höchstqualität produzierten CDs und SACDs, hat in mehr als 25-jähriger Kraftanstrengung eine Gesamteinspielung der Werke des Finnen Jean Sibelius vorgelegt – etwas, das nicht Wenige für unrealisierbar gehalten hatten. Nun folgt die Zweit- und Drittverwertung von Auszügen aus dieser Gesamteinspielung auf breiter Front – und das ist nur zu berechtigt, denn so eine Gesamteinspielung kostet in vielen Bereichen mehr, als sie dem Label einbringt. Es ist also nur verständlich und vor allem völlig legitim, wenn das Label nun aus Bestandteilen der Gesamtedition versucht, interessante und neu zusammengestellte Produkte zu entwickeln. Mit „the unknown Sibelius“ ist dieser Versuch durchaus geglückt: Der interessierte Sibelianer erhält hier unter anderem die (im Vergleich zur Endfassung) im Prinzip nur durch einen anderen Schluss erkennbare Frühfassung von Sibelius‘ bekanntestem Stück „Finlandia“, hier unter dem Titel „Finnland erwacht“. Spannender ist da schon die sich von der Endfassung deutlich unterscheidende Erstversion der sinfonischen Dichtung „Die Okeaniden“, die hier in der kürzeren und insgesamt vitaler wirkenden „Yale-Version“ für meinen Geschmack sogar besser ist als die hinlänglich bekannte Fassung. Weitere Highlights auf diesem Sampler beinhalten das faszinierend schöne „Andantino in D-Dur“ für Klavier“, die eigenartig spröde und kühle Bühnenmusik zu „Ödlan“ (die Sibelius selbst für eine seiner besten Partituren hielt) sowie die vier sinfonischen Fragmente, über die die Musikwissenschaft rätselt, ob sie wohl Fragmente zu einer nicht vollendeten achten Sinfonie des Komponisten gewesen sein könnten. Alles in allem ist diese CD eine richtige „Sibelius-Wundertüte“, bei der die positiven Überraschungen überwiegen. Grenzwertig (vor allem auch aus interpretatorischer Perspektive) ist manchmal die Vokalmusik. Hier liegt zwar ein Schwerpunkt von Sibelius‘ Tätigkeit als Komponist, jedoch können mich zumindest die Beiträge auf dieser CD-Zusammenstellung nicht überzeugen. Klanglich ist hier alles im Upper-Class-Bereich, wie man bei einer BIS-CD auch nicht anders erwarten würde. Interpretatorisch gibt es – wie gesagt – einige schwächere Beiträge bei der Vokalmusik. Die Instrumentalmusik liegt hier in durchweg hochklassigen Beiträgen vor, wobei vor allem die von der internationalen Presse ganz zurecht höchst gelobten Einspielungen des Lahti Symphony Orchestra unter Leitung von Osmo Vänskä und Okko Kamu positiv herausragen. |
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