J. Brahms - Sinfonie Nr. 2 op. 73 / O. Schoeck - Violinkonzert op. 21 (2013)
• • • • • Johannes Brahms - Sinfonie Nr. 2 / Othmar Schoeck - ViolinkonzertDer zweite Teil des Lübecker Brahms-Zyklusvon Rainer Aschemeier • 25. Juni 2013
Schneller als erwartet geht der Lübecker Brahms-Zyklus in die zweite Runde (hier ein Link zur Rezension des erst kürzlich erschienenen ersten Teils). Es wird absehbar, dass Roman Brogli-Sacher den gesamten Brahms-Zyklus als „großen Bogen“ gestaltet: Erst jetzt, nach Anhören seiner Fassung der zweiten Sinfonie wird das für mich klar und logisch. Das erklärt auch, warum er in Brahms‘ Erster eher auf getragene Tempi gesetzt hatte. Es spricht im Übrigen viel dafür, die Zweite als das Herzstück der vier Brahms-Sinfonien zu betrachten. Ist sie doch das Bindeglied zwischen der Beethoven-Nachfolge der Ersten und der in der Dritten und vor allem Vierten verfolgten konservativen Fortschrittlichkeit in Form des Prinzips des „durchbrochenen Satzaufbaus“. Brogli-Sacher legt bei seiner Brahms-Zweiten erneut Wert auf viel Legato und einen tief-dunkel gefärbten Streicherklang. Dass diese Stimmung vom Dirigenten herrührt und nicht dem Orchester „von allein“ entspringt, hört man noch auf demselben Album. Denn wie stets haben die Lübecker dem Hauptwerk noch einen weit weniger bekannten „Bonus-Leckerbissen“ beigefügt, und zwar das fabelhafte Violinkonzert des Hermann-Hesse-Intimus Othmar Schoeck. Schoecks Violinkonzert irisiert in grandios-virtuosen Girlanden und Verzierungen. Es ist in meinen Ohren weniger „elegisch“ (wie uns das Label im Booklet als Einordnung vorschlägt) sondern vielmehr romantisch-verträumt. Trotz eines relativ stringenten inneren Aufbaus, ganz in einer Linie der Brahms-Nachfolge könnte man sagen, scheint das Konzert zu keiner Zeit so recht greifbar zu sein. Es zieht dahin wie ein flüchtiger Sommertag. Man sitzt im Sessel, hört zu und ist erstaunt, wie schnell und eine musikalische halbe Stunde vorbeigehen kann. Die Einspielung wartet beim Schoeck-Konzert zudem mit einem wirklich guten Solisten auf. Carlos Johnson verfügt über eine profunde Technik und einen klangschönen Ton. Da können sich die Lübecker glücklich schätzen, dass sie solch einen solistisch fitten Haudegen als Konzertmeister in ihren Reihen haben! Johnson hätte ohne Zweifel auch das Zeug zur solistischen Solo-Laufbahn. Doch kommen wir noch einmal zurück zu Brahms: Die zweite Sinfonie, hier und da in Anlehnung an Beethoven auch als „Brahms‘ Pastorale“ bezeichnet, ist ein Stück, das nicht einfach zu nehmen ist. Fast schon bukolische Idylle trifft hier auf verborgene Abgründe und weit von der Grundtonart abweichende Modulationen. In ihrem Kern ist die Zweite nur an der Oberfläche scheinbar ländlich-beschaulich. In ihrem Inneren verbergen sich gewagte Neuerungen und doppelbödige Gehalte, die weniger „aufgedeckt“ als vielmehr interpretiert und ausgelegt werden wollen. Gerade das gelingt Roman Brogli-Sacher und seinem Philharmonischen Orchester aus Lübeck sehr gut, sodass dieser zweite Teil des Lübecker Brahms-Zyklus noch eine Spur interessanter und spannender ausfällt, als der erste. |
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