Go to content Go to navigation Go to search

The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Grimms Märchen
Duo Pianoworte

(2013)
Kaleidos

• • • • •

Grimms Märchen erzählt in Wort und Musik

Neue Kinderklassik-CD vom Duo Pianoworte

von Rainer Aschemeier  •  20. Juni 2013
Katalog-Nr.: KAL 6323-2 / EAN: 4260164632325

Im letzten Jahr hatte das Duo Pianoworte mit Legenden und Gebeten positiv auf sich aufmerksam gemacht. Nun erscheint beim kleinen Label des Tonmeisters Jens F. Meier ein neuer Titel in der schönen Edition „Kaleidos Kinderklassik“. Auch in dieser Sparte hatte es letztes Jahr bereits eine schöne Neuerscheinung gegeben, nämlich eine neue Fassung von Saint-Saëns’ Karneval der Tiere. Dabei hatte der Schauspieler Helmut Thiele bereits sein Kaleidos-Debüt gegeben. Thiele, der damals mit dem Klavierduo La Lueur aufgetreten war, ist bei der hier vorzustellenden CD auch wieder mit an Bord. Kein Wunder, ist er ja die eine Hälfte des Duos Pianoworte, jenes einzigen Duos, dass sich ausschließlich auf den Vortrag von Melodramen spezialisiert hat, also Musikstücken, bei denen eine Sprechstimme notiert ist, keine Singstimme. Die „andere Hälfte“ ist der immer wieder beeindruckende Pianist Bernd-Christian Schulze.

Zusammen haben Thiele und Schulze 2002 schon den „ECHO“ in der Sparte „Klassik für Kinder“ erhalten, ebenso übrigens wie 2007 den „Leopold“, den hierzulande namhaftesten Preis für Veröffentlichungen im Bereich der Musik für Kinder.
Der Schritt des Duos Pianoworte, mit dieser CD auch die Märchen der Brüder Grimm für Kinder in Szene zu setzen, ist also ein logischer (außerdem gab es vom Duo Pianoworte schon eine Wilhelm-Busch-CD).

Für die Musik waren diesmal die Komponist/innen Violeta Dinescu, Gerhard Gemke und Andreas N. Tarkmann zuständig. Mit Gerhard Gemkes gleichermaßen effekt-, wie humorvoller Umsetzung des „Tapferen Schneiderleins“ beginnt die CD. Die Musik ist stimmungsvoll, erzeugt Spannung an den dramatischen Stellen – und das nicht nur durch bloß platte Effekthascherei, wie wir sie aus mancher Filmmusik kennen, sondern durch ein Spannungsfeld aus Harmonik und Dissonanz, aus Dynamik und profunden Kenntnissen der diversen klanglichen Möglichkeiten eines großen Konzertflügels, was auch unkonventionelle Klangerzeugungsmethoden mit einschließt.
Andreas N. Tarkmann, der Komponist von „Frau Holle“ und „Rätselmärchen“ geht andere Wege. Bei seiner Vertonung sind Klavier und Text weniger eng verzahnt, sondern existieren eher im Wechsel miteinander. Sein musikalischer Stil ähnelt ein wenig dem der Komponisten der „Groupe des Six“, also z. B. Poulenc oder Milhaud. Auch Tarkmann hält sich von vordergründigen Effekten möglichst weit entfernt. Das hat allerdings für den Zweck – nämlich Musik Kindern zugänglich zu machen – Nachteile. Kinder müssen sich hier ganz schön „am Riemen“ reißen, wenn sie nach 30 Sekunden Text immer wieder eine längere Musikstrecke „abwarten“ müssen, bevor die Geschichte weitergeht. Und hier sollte man keine künstlich hohen Maßstäbe anlegen, sondern die Realität: Für Kinder steht zunächst die spannende Geschichte im Vordergrund, weniger die Musik.

Hier aber liegt der große Pluspunkt dieser CD: Die Musik ist gut. Wirklich gut! Auch Violeta Dinescu macht da keine Ausnahme. Ihre eher kürzeren Kompositionen von „Der Bauer und der Teufel“, „Die Sterntaler“ und „Strohhalm, Kohle und Bohne“ sind zeitgenössische Musik im besten Sinne. Sie sind keinesfalls lieblich oder irgendwie bequem. Ähnlich wie Tarkmann und Gemke nimmt auch Dinescu ihre Hörer, die Kinder, ernst und säuselt sie nicht mit „eiapopeia“-Kitsch ein.

Für Kinder ist diese CD womöglich also erst eine Liebe auf den zweiten Blick. Zu viel anspruchsloses und geschmacksneutrales Einheits-tralala flutet unsere Kinderzimmer, sodass diese CD, die jedem Hörer – egal ob Kind oder Erwachsenem – sicher mehr als einen Anlauf abverlangt, sicher nicht von Beginn an zum Dauerbrenner im Kinderzimmer wird. Aber diese CD hat trotzdem das Zeug dazu, denn die schiere Qualität der Musik und – Duo Pianoworte-typisch – auch des Vortrags, sorgen dafür, dass diese Platte – im Gegensatz zu vielen anderen Kindermusikscheiben – nicht langweilig wird. Im Gegenteil: Immer wieder gibt es etwas Neues zu entdecken, und die einfallsreiche Musik regt die Imaginationsfähigkeit an.
Spätestens, wenn in Dinescus Stücken Schulkinder auch selbst mitmachen dürfen und den Texten ihre Stimme leihen, dann dürften auch die jungen Hörer zuhause die Ohren spitzen: „Was machen die denn da? Warum sprechen die so merkwürdig?“

Auf diese Weise kann die CD das Gespräch über Musik und Sprache anregen und zum Beispiel dazu animieren, Kindern zu erklären, wo der Unterschied liegt, zwischen einem Sprachvortrag als Kunstwerk und der Alltagssprache als Gebrauchswert.

Abschließend sei noch kurz erwähnt, dass das Album (wie schon das letzte des Duos Pianoworte) erneut in Kooperation mit dem Norddeutschen Rundfunk entstanden ist und vom NDR einen guten Aufnahmeklang mit auf den Weg bekommen hat.

Stöbern

Verwandte / ähnliche Artikel:

Archiv

Alle Reviews können im Archiv nachgeschlagen werden. Dort ist auch eine gezielte Suche möglich.