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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

J. Brahms - Sinfonie Nr. 1 c-Moll / R. Strauss - Tod und Verklärung
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck - R. Brogli-Sacher

(2013)
musicaphon / Klassik-Center Kassel

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Johannes Brahms - Sinfonie Nr. 1 c-Moll / Richard Strauss - Tod und Verklärung

Überzeugender Beginn des Lübecker Brahms-Zyklus

von Rainer Aschemeier  •  3. Juni 2013
Katalog-Nr.: M56936 / EAN: 4012476569369

In den letzten sechs Monaten hat es erstaunlich viele Aufnahmen von Brahms erster Sinfonie gegeben. Allein bei the-listener.de hatten wir zwei davon vorgestellt (Rezensionen siehe hier und hier). Doch es gab noch einige mehr.

Zu dieser überraschenden Welle der Wiederbeschäftigung der Plattenlabels mit Brahms‘ sinfonischem Schaffen gesellt sich nun auch eine neue SACD des Kasseler Labels musicaphon. Dieses Label hat die bislang durchgängig hervorragende Reihe „Lübeck Philharmonic Live“ im Angebot, die Live-Aufnahmen des Philharmonischen Orchesters der Hansestadt Lübeck vorstellt. Die derzeit beste aktuelle Gesamtaufnahme der fantastischen Sinfonien des Schweizers Arthur Honegger wurde hier veröffentlicht, die ich persönlich als eine Großtat der jüngeren diskographischen Veröffentlichungshistorie betrachte.

Nun also Brahms. Auch hier soll es offenbar wieder ein Zyklus aller Sinfonien werden. In inzwischen gewohnter Weise stellt das Orchester aus Lübeck ein Werk aus dem in Angriff genommenen Werkzyklus einem Stück eines anderen Komponisten gegenüber. Hier greift man zur recht gewagten Kopplung Brahms – Strauss. Gewagt deshalb, weil lange nicht alle „Brahminen“ auch gut auf Richard Strauss zu sprechen sind. ...und umgekehrt…

Am Pult begegnen wir wieder Roman Brogli-Sacher, dem ehemaligen Chefdirigenten des Lübecker philharmonischen Orchesters. Brogli-Sacher ist einer derjenigen Dirigenten, die schmerzlich unter Wert gehandelt werden. In dem ihm gegenüber dargebrachten frappierenden Missverhältnis zwischen gebotener Qualität seinerseits und angemessener Würdigung derselben vonseiten der Musikkritik ist er etwa Lavard Skou-Larsen vergleichbar, jenem ebenfalls genialen Dirigenten, der derzeit zutiefst ungerechtfertigt ein recht stilles Schattendasein als GMD in Neuss bzw. Ingolstadt führt.

Die CD beginnt mit der Brahms-Sinfonie. Brogli-Sacher wählte für seine Lesart für die Ecksätze konservative Tempi, die im Bereich des Üblichen liegen. Sein Andante sostenuto hingegen ist mit gerade einmal 8.39 min. eines der schnellsten aus der Riege der in letzter Zeit neu veröffentlichten Aufnahmen.
Insgesamt stellt Brogli-Sacher sehr schön den „großen Bogen“ heraus: das „Gesamtkunstwerk“, das Brahms erste Sinfonie repräsentiert. Alles in allem hinterlässt seine Interpretation einen sehr guten Eindruck: Die Legato-Stellen sind nicht übertrieben, das Orchester klingt eher satt romantisch als klassizistisch. Nun wäre es jedoch nicht angemessen, Brogli-Sachers konservative Lesart etwa als „konventionell“ abzustempeln. Konservativ und konventionell sind zwei verschiedene paar Schuhe.
Die Lübecker bieten unter Brogli-Sachers Leitung durchaus eine Interpretation mit Persönlichkeit. Gerade durch ihr Bekenntnis zu traditionellen und konservativen Werten ist ihre Einspielung auch ein starkes Statement in einer Zeit, in der man auch das romantische Repertoire häufiger auf alten Instrumenten in historischer Aufführungspraxis erklingen hört.

Weit spektakulärer als der Brahms auf dieser SACD ist jedoch der Lübecker Strauss. „Tod und Verklärung“ ist eh schon eines der stärksten Werke von Strauss. Und so mitreißend wie hier habe ich es selten gehört. Brogli-Sacher geht hier gezielt den emotional ergreifenden Weg. Über der ganzen Darbietung scheint eine Art unwirklicher Schleier zu liegen. Von Beginn an wähnt sich der Hörer mitten im Programm von Strauss Sinfonischer Dichtung, in diesem merkwürdigen delirierenden Zwischenreich zwischen Dasein und Jenseits, das Strauss heraufbeschwört.
Brogli-Sacher erreicht das durch eine Extra-Portion Legato, das er gelegentlich auch an solchen Stellen einsetzt, die in der Partitur eigentlich non-legato markiert sind. Nimmt er sich da nicht etwas viele Freiheiten heraus? Vielleicht ist das so. Zum einen aber wäre er damit nicht der erste, zum anderen ist der Effekt, den er damit erzielt wirklich überwältigend.
Brogli-Sachers Interpretation ist mitreißend, spannend, fesselnd, wirkt frisch und spontan – von der ersten bis zur letzten Minute. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich „Tod und Verklärung“ je so schön, so ergreifend und gleichzeitig so frisch und zupackend musiziert gehört habe.

Fazit: Eine SACD, bei der der Brahms überzeugt, der Strauss hingegen positiv überwältigt und getrost zu den bisherigen diskographischen Highlights in Sachen „Tod und Verklärung“ gezählt werden darf. Der Klang ist – wie eigentlich immer bei musicaphon – sehr überzeugend, wenn auch nicht oberste HiFi-Spitzenklasse. Eine sehr lohnende Aufnahme, die einen gespannt macht auf die weiteren Beiträge im hiermit begonnenen Lübecker Brahms-Zyklus.

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