R. Vaughan Williams - Job (Klavierauszug) / I. Gurney - Klaviermusik (2013)
• • • • • Ralph Vaughan Williams - Job (Klavierauszug) / Ivor Gurney - KlaviermusikOhrenöffner!von Rainer Aschemeier • 22. Mai 2013
Klaviermusik von Ralph Vaughan Williams – da fällt einem eigentlich nur dessen herrliches Klavierkonzert ein, egal ob in der Fassung für ein oder zwei Klaviere. Doch in anderen Bereichen sieht es trüb aus. Vaughan Williams war ganz umfassend gesehen kein begeisterter Kammermusikkomponist. Die Ralph Vaughan Williams Society und ihr Label Albion Records haben sich auf die Fahnen geschrieben, seltenes Vaughan Williams-Repertoire, das nach Möglichkeit noch nie zuvor eingespielt worden ist, im Rahmen einer eigenen CD-Reihe zu veröffentlichen. Bereits mit einer Klaviertranskription der sechsten Sinfonie des britischen Komponisten hatte das Label gezeigt, wie man kreativ mit Repertoirelücken im Œuvre eines Komponisten umgeht. Dabei war die Transkription der Sechsten eine echte Offenbarung: Die Sinfonie, die wegen ihrer dichten Textur ihre Hörer vor echte Probleme stellt, wurde im Klaviersatz viel leichter fassbar und schien so erst ihren inneren Gehalt in vollem Umfang preiszugeben. Mittlerweile möchte ich nicht mehr auf jene wunderbare Aufnahme verzichten, die zumindest mir erst den vollen Zugang zu Vaughan Williams’ Sechster geebnet hat. Nun liegt eine ganz ähnliche CD vor, bei der uns der hinlänglich erfahrene Vaughan Williams-Interpret Iain Burnside eine Klaviertranskription des Balletts „Job“ präsentiert. Hier liegt der Fall ganz ähnlich: Es ist ein sperriges, anspruchsvolles, dicht texturiertes Stück, das zu den intellektuellen Meisterleistungen in Vaughan Williams’ kompositorischer Laufbahn gehört. Hier haben wir nicht den lyrischen, pastoralen Einfluss der Volksmusik, sondern hier haben wir die Kontrapunktik, die sich in Vaughan Williams’ Chormusik wiederfindet, wir haben die sperrige Attitüde der „Partita for Double String Orchestra“ und wir haben die ungestüme Wildheit, die auch Sinfonien wie die Vierte oder die Sechste ausmachen. Job verinnerlicht viel von der Seite Vaughan Williams‘, die sich weigerte, ständig lyrisch-englische Crowdpleaser zu schreiben. Es zeigt den kriegserfahrenen Ex-Soldaten, den religiösen Zweifler, der wie die biblische Gestalt des Job mit seinem Glauben ringt. Außerdem liegt es gar nicht so fern zu behaupten, dass wir in „Job“ eine Art britisches „Le sacre du printemps“ vorfinden: Vaughan Williams wollte mit seinen ungestümen Metren und Rhythmen in diesem Ballett zurück zur Archaik der alttestamentarischen Levante-Kulturen – und als Impresario war sogar zunächst Sergej Diagilew vorgesehen, der Vaughan Williams als Komponist allerdings „zu altmodisch“ fand. Hätte er nur dieses Stück gehört! Sein Urteil wäre vielleicht anders ausgefallen. „Job – A Masque for Dancing“ ist eines von Vaughan Williams unzugänglichsten Werken. Und nun kommt diese CD daher und offeriert uns einen so faszinierend luziden Klaviersatz, dass es die helle Freude ist. Stellen, die bei der Orchesterfassung wie im Rausch zu explodieren scheinen, werden hier durchhörbar und verständlich. Wieder ist diese Klavierfassung eines Vaughan Williams-Orchesterwerks eine Offenbarung sondergleichen. Einfach toll, wie viel einem das hilft, ein solches Werk für sich wieder neu zu entdecken. Zwei weitere Gelegenheitswerke für Klaviermusik runden das Vaughan Williams-Programm ab: die „Hymn Tune Prelude No. 13“ über ein Kirchenlied von Orlando Gibbons (kennt man auch in einer Fassung für Orgel) und das Stück „The Lake in The Mountains“ aus der Filmmusik zu „49th Parallel“. Beide „nice to have“, jedoch kein „must“. Überraschend servieren uns die Labelmacher von Albion zudem noch zwei Werke des heute fast vergessenen englischen Komponisten Ivor Gurney. Dieser vielversprechende Komponist zerbrach psychisch am Drama des Ersten Weltkriegs, in dem er Frontsoldat war. Er endete – schon zu Lebzeiten fast vergessen – in einem Sanatorium für psychisch Kranke und starb im Alter von nur 47 Jahren. Sein Werk wird heute praktisch nicht mehr gespielt, doch auf dieser CD hat man eine Chance, einen Einblick in Gurneys Klaviermusik zu erhaschen. Die „Five Preludes for Piano“ sind ambitioniert und zeigen einen vor allem in der Behandlung der theoretischen Grundlagen, in der Behandlung der Form beeindruckend stilsicheren Komponisten, der jedoch im Vergleich zu Vaughan Williams, der sich von der Spätromantik lösen konnte, als musikhistorischer Anachronist erscheint. Ähnlich verhält es sich bei der „Chorale Prelude on „Rockingham““, die wir zudem zu hören bekommen. Iain Burnside ist ein vorbildlicher Interpret dieser Musik und ein ausgewiesener Spezialist für die britische romantische Musiktradition, was er in zahlreichen Einspielungen für viele namhafte Labels zuvor schon bewiesen hat. Albion-Stammkäufer haben ihn als einen der bislang besten Interpreten des Labels in bester Erinnerung. Auch diesmal gibt er sich keine Blöße. Mit dem Ex-DECCA-Tonmeister Mike Clements hat man sich zudem einen Soundfachmann par excellence herangeholt, um diese CD zu dem zu machen, was sie ist: Zu einer unverzichtbaren Novität für alle Vaughan Williams-Jünger. Albion bekommt es einfach ein ums andere Mal wieder hin, dass seine Weltersteinspielungen zugleich auch Referenzaufnahmen sind. Dies hier ist so ein Fall. |
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