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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

I. Venables - Sämtliche Werke für Klavier Solo
Graham J. Lloyd

(2013)
Naxos

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Ian Venables - Sämtliche Werke für Klavier Solo

Die eine und die andere Seite von musikalischem "Verwaltungsdenken"

von Rainer Aschemeier  •  14. Mai 2013
Katalog-Nr.: 8.573156 / EAN: 747313315673

Während der Brite Ian Venables in seinem Heimatland zu den meist aufgeführten zeitgenössischen Komponisten gehört, ist er im Rest der Welt kaum bekannt. Das liegt vor allem daran, dass Venables ein Komponist ist, der sich schwerpunktmäßig dem Liedschaffen gewidmet hat. Während das in Großbritannien nach wie vor in voller Blüte zu stehen scheint, ist hierzulande kaum noch davon zu berichten, dass etwa mehr stattfinden würde, als eine weitgehende „Verwaltung“ des überkommenen Erbes.
Schumann, Schubert, ja, das mögen wir Deutschen. Und im Wagner-Jahr dürfen es ja auch gern einmal die Wesendonck-Lieder sein. Nur nicht übertreiben! Doch neues, frisches, Musik der Zeitgenossen, nein danke! Das lassen wir in Deutschland nicht so schnell auf den Spielplan.

Die Briten sind da vielleicht allein schon deswegen etwas entspannter, weil es bei ihnen eine „klassische“ Periode kaum gegeben hat. Wer im 18. Jahrhundert in Großbritannien tätig war, stammte in der Regel aus Deutschland oder Österreich, wie z.B. J.C. Bach, Haydn, Ries, Spohr oder Molique. Erst im 19. Jahrhundert – und selbst in diesem Zeitrahmen eher spät – sorgten Elgar und Delius dafür, dass die Briten an ihre einstige (barocke) Musiktradition anknüpfen konnten.
Die ganz Großen dieser Entwicklungslinie – John Foulds, Ralph Vaughan Williams, Benjamin Britten und Michael Tippett – kamen allesamt vornehmlich im 20. Jahrhundert zu ihrer künstlerischen Blüte. Kein Wunder, dass man es im United Kingdom bis heute vielleicht etwas entspannter sieht mit (im wahrsten Sinne des Wortes) neuer Musik.

Nun macht es ein Komponist wie Ian Venables seinem Publikum aber auch relativ einfach: Er schreibt impressionistisch-spätromantische Musik, die man ohne mit der Wimper zu zucken auch dann „schlucken“ würde, wenn einem jemand erzählt hätte, dass Venables etwa ein Debussy- oder Ravel-Zeitgenosse sein würde.
Auf der neuen CD mit Soloklaviermusik des jedoch erst 1955 geborenen Ian Venables bei Naxos kommt das spätromantische Anknüpfen an die pastoral-lyrische Tradition von Komponisten wie etwa Delius oder Vaughan Williams umfassend zur Geltung.

Auch das dramatische Element der Klaviermusik von John Ireland lugt hier manches Mal durch die Ritzen. Wen wundert es da, dass diese CD vom RVW Trust (der Fördergemeinschaft zur Verbreitung und Bewahrung des Werks von Ralph Vaughan Williams) sowie vom John Ireland Trust gefördert wurde?

Solist Graham J. Lloyd hatte bereits bei der Einspielung des Klavierquintetts von Ian Venables auf dem britischen Somm-Label buchstäblich „die Finger im Spiel“ gehabt. Er scheint ein Interpret zu sein, der vom Komponisten persönlich immer wieder für Einspielungen ausgesucht und vorgeschlagen wird. Lloyd erledigt seine Aufgabe ausgezeichnet, trifft in der (wen wundert’s) sehr sanglichen Musik Ian Venables‘ allerdings auch auf wenig spieltechnische oder interpretatorische Hürden.
Diese Musik hat ihre Qualitäten, vermittelt vor allem sehr viel Emotion, Aura, kurz: Werte, die man in Zahlen oder Worten nicht ausdrücken kann. Es ist die Art von Musik, der man sich kaum entziehen kann, weil sie melodisch so erfindungsreich und schön ist. Gleichzeitig kann man aber auch kaum verleugnen, dass das, was Ian Venables hier komponiert hat, von seinen Gegnern mit gutem Grund auch „abgeschmackt“ genannt werden könnte.

Und so betreiben also auch die Briten letztendlich nicht viel mehr als eine Art von musikalischer „Verwaltung“ – vielleicht aber etwas origineller als wir.

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