F. Lopes-Graça - Klavierkonzerte Nr. 1 + 2 (2013)
• • • • Fernando Lopes-Graça - Klavierkonzerte Nr. 1 + 2Bemerkenswert facettenreiche Musikvon Rainer Aschemeier • 12. Mai 2013
Das Etikett „klingt wie“ ist ja in den meisten Fällen eine undankbare Einordnung von Musik, die einem breiten Publikum (noch) nicht bekannt ist. Kein Komponist klingt wie der andere, jeder hatte und hat auf seine Art und Weise eine persönliche Handschrift. Wie drastisch man mit solchem Schubladendenken in die Falle tappen kann, zeigt kaum eine Neuveröffentlichung besser, als diese neue Naxos-CD mit Musik des Portugiesen Fernando Lopes-Graça. Sie stellt – mit bemerkenswert namhafter Besetzung am Klavier und am Dirigentenpult! – die beiden Klavierkonzerte Lopes-Graças vor, der von 1906 bis 1994 gelebt hat und eine der einflussreichen Persönlichkeiten des portugiesischen Musiklebens gewesen ist. Das erste Klavierkonzert ist folkloristisch, recht traditionell und – man verzeihe mir die Bemerkung – sprüht nicht gerade vor Ideen. Ewig und immer wieder wird etwa das Hauptthema des ersten Satzes wiederholt, was nicht etwa zu „himmlischen Längen“ führt – wie Schumann einst die vielen Wiederholungen in der Musik Schuberts bezeichnete. Vielmehr werden hier die Nerven der Hörer auf eine harte Probe gestellt. Im zweiten und dritten Satz ist der Zugriff etwas expressiver, jedoch basiert das gesamte Konzert erkennbar auf volkstümlichen Themen und will im Prinzip auch gar nicht mehr, als diese Themen in den Konzertsaal zu holen. Das zweite Klavierkonzert ist hingegen ganz anders, viel persönlicher und geradezu sinister im Grundton. Expressionismus in seiner musikalischen Form findet sich hier überall. Und jetzt kommen wieder die Beispiele: Nicht mehr Rodrigo steht dann auf der Liste, sondern plötzlich klingt vor allem die mit Dissonanzen gespickte Musiksprache von Villa-Lobos durch, und dass der zweite Satz eine Art portugiesische Antwort auf Maurice Ravels Klavierkonzert in G-Dur sein möchte, hört man von der ersten Minute an. Selbst das effektreiche 3/4-/6/8-Paradoxon aus Ravels fabelhaftem Adagio assai hat Lopes-Graça übernommen, strickt daraus aber seine eigene „Variante“, die weniger romantisch und weit weniger positiv in die Lande lugt, als das Ravel-Adagio. Könnte es sein, dass Lopes-Graça sich für sein zweites Klavierkonzert drei Klavierkonzerte des 20. Jahrhunderts vorgenommen hat – die von Villa-Lobos, Ravel und Copland -, um über diese Werke kompositorisch zu reflektieren und ein eigenes Statement abzugeben? Ich finde, das ist ein reizvoller Gedanke, dem nachzugehen sicher lohnend wäre. Selbst, falls sich mein Eindruck als bloße Spekulation herausstellen würde, scheint er für die Beschreibung der hier zu hörenden Musik doch hilfreich zu sein. Das Orquestra Sinfónica do Porto erweist sich auf vorliegender CD als rhythmisch versiertes und ansonsten qualitativ gutes Sinfonieorchester, das diese Musik verständlicherweise mit viel Einsatz und Begeisterung vorstellt. Dirigent Matthias Bamert dürfte den meisten Hörern als Leiter der London Mozart Players bekannt sein und hat als solcher beim chandos-Label viele viele, von der Kritik zumeist überschwänglich gelobte Einspielungen realisiert. Klaviersolist Eldar Nebolsin ist der derzeitige „Vorzeige-Pianist“ des Naxos-Labels, ähnlich, wie es Tianwa Yang im Bereich Violine ist. Nebolsin hatte vor einiger Zeit die Liszt-Konzerte unter Vasily Petrenko eingespielt, was inzwischen zur weltweit zurzeit meistverkauften Einspielung der Liszt-Konzerte avanciert ist. Und auch das muss man ja erstmal schaffen. Der Klang ist von Sean Lewis – normalerweise Naxos‘ Ton-Mann in Finnland! – sehr kraftvoll und natürlich eingefangen worden. Auch an den Höhen hat Lewis diesmal nicht gespart. Ein Punkt, der sonst ein Manko bei den meisten der von ihm betreuten Aufnahmen ist. |
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