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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

J. Brahms - Ein deutsches Requiem
Kammerorchester Basel, Schleswig Holstein Festival Chor Lübeck, C. Karg (Sopran), T. E. Bauer (Bariton) - R. Beck

(2013)
Profil Edition / Vertrieb: Naxos

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Johannes Brahms - Ein deutsches Requiem

Eine der besten Aufnahmen dieses Stücks in den letzten Jahren

von Rainer Aschemeier  •  3. Mai 2013
Katalog-Nr.: CD PH13023 / EAN: 81488130232

Wie soll man das als Rezensent seinen Lesern klar machen, dass diese CD mit zum Besten zählt, was ich in diesem Jahr bislang gehört habe? Das CD-Cover strahlt in den Farben einer Discounter-Tütensuppe und zeigt ein Motiv, das man eher mit der Werbung einer U-Bahn-Betreibergesellschaft verbinden würde, als mit dem Werk von Johannes Brahms.
Trotzdem: Glauben Sie mir, diese CD lohnt es gehört zu werden. Wohl wahr: So unansehnlich wie sie ist, wird man sie kaum verschenken wollen. Aber das hat das Label sicher mit eingeplant, als es dieses unverschenkbare Coverartwork entwarf und wird mit den dadurch entgangenen Umsatzverlusten scheinbar leben können.

Aber Sie, ja genau Sie, Sie nehmen doch das Musikhören nicht auf die leichte Schulter und lassen sich vom Äußeren einer CD nicht abschrecken. Sie sollten sich daher diese CD auf jeden Fall anhören, denn sie beinhaltet eine der besten Interpretationen von Brahms „Deutschem Requiem“ (nach meinem Dafürhalten außerdem eines von Brahms schönsten und gehaltvollsten Werken), die es in den letzten Jahren gegeben hat.

Mit Rolf Beck ist hier ein Chormusikspezialist am Werk, dessen Name man zwar nicht fett gedruckt in den Schlagzeilen der Feuilletons liest, der aber Kenner und Liebhaber von Chormusik schon seit Jahren immer wieder entzückt.
Mit dem Kammerorchester Basel steht diesem Ausnahmedirigenten nun ein Ausnahmeorchester zur Verfügung, das ohne Frage zu den besten Kammerorchestern der Welt gehört. 1984 in der Nachfolge des legendären Basler Kammerorchesters (dem berühmten Orchester von Paul Sacher, das so viele Uraufführungen von Meisterwerken der klassischen Moderne bestritten hat, dass man sie kaum zählen kann) gegründet, wurde das Orchester lange Zeit von Alte-Musik-Spezialist Christopher Hogwood geleitet und wurde von ihm in die kompromisslose Weltklasse geführt.

Unter Rolf Beck wird das Orchester ebenso kultiviert wie überlegt mit sattem, tief-mitten-betontem Sound durch romantisches Fahrwasser geleitet. Man höre sich etwa den erfreifenden zweiten Satz „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras“ an. So packend, wie auf dieser hervorragenden Aufnahme habe ich diese Musik ewig nicht mehr gehört.
Die große Stärke von Rolf Becks Lesart ist es, diese Musik das sein zu lassen, was sie von Hause aus sein sollte: Mehr eine Tröstungs- als eine Trauermusik. Beck hat es – im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen – nicht nötig, die tragischen Elemente der Partitur an jeder Ecke herauszukitzeln und dabei ein monolithisches Ungetüm zu schaffen, wie es andere Dirigenten zuweilen tun oder getan haben – und sich damit, das muss mal gesagt werden, sich selbst mehr in den Vordergrund gestellt haben als die Musik. Denn Brahms‘ Requiem ist ein Werk der Hoffnung, eines, das Wiederauferstehung predigt, nicht Tod.

Ein weiteres Highlight der Einspielung ist der höchst beeindruckende Schleswig-Holstein Festival Chor Lübeck, der auf dieser Aufnahme zu hören ist. Auch er wurde von Rolf Beck für diese Interpretation zu Höchstleistungen angespornt. Man höre sich etwa an, wie silbengenau die Diktion ist. Hier versteht man jedes Wort. Man höre sich zudem an, wie vorbildlich die Ausbalancierung der Stimmen gelungen ist, wie „rund“ und gleichzeitig durchhörbar, ausdifferenzierbar der Chor klingt. Das ist nicht weniger als Weltspitze!

Mit Christiane Karg und Thomas E. Bauer hat Beck zudem zwei SolistInnen ausgewählt, die für ihr Können landauf landab gerühmt sind. Thomas E. Bauer mit seinem warmen, wenngleich vielleicht etwas (zu) sehr vibratobasierten Bariton gibt einen hervorragenden und glaubwürdigen hochromantischen Sänger ab, der hier hervorragend ins Bild passt.
Die mehrfach preisgekrönte Sopranistin Christiane Karg gehört zu den in Deutschland bekanntesten Vertreterinnen ihres Fachs. Auch auf dem internationalen Parkett ist sie präsent. Für meinen Geschmack kommt sie in dieser Aufnahme etwas zu „opernhaft“ rüber und entfernt sich stimmlich zu sehr vom ansonsten extrem homogenen Ensemble.

Alles in allem ist diese Einspielung aber eine der bei weitem besten dieses Stücks, an die ich mich in den letzten Jahren erinnern kann. Insofern heißt es bei dieser CD also: Augen zu, Ohren auf! Die Produktion, aufgenommen im Rahmen des Schleswig Holstein Musikfestivals, kommt übrigens auch in einem wunderschönen Klangbild daher. Auch die Aufnahmetechnik setzt ganz auf Volumen, Wärme und Räumlichkeit. Zum Schluss ertönt Publikumsapplaus (dies übrigens, nachdem das Publikum ansonsten bei der gesamten Aufnahme mucksmäuschenstill war – man hört in allen Sätzen keine Nieser, keine Huster, keinen Pieps vom Auditorium). Spätestens an der Stelle reibt man sich verwundert die Augen und fragt sich ungläubig: Das war eine Liveaufnahme? Wow!

Rolf Beck, seinem Orchester, seinem Chor und auch seinen Solisten muss ein uneingeschränktes Kompliment ausgesprochen werden zu dieser fabelhaften CD, die dick und rot in die bisherige Liste der besten CDs des Jahres notiert wird.

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