Haas - Furrer - Hidalgo - Oehring - Hechtle (2012)
• • • • • Haas - Furrer - Hidalgo - Oehring - HechtleEin bunter Straußvon Rainer Aschemeier • 14. April 2013
Die Gitarre ist ein besonderes Instrument. Angeblich gibt es kein anderes Saiteninstrument, dessen Ton so schnell erklingt, nachdem der Instrumentalist die Saite angezupft hat. Die Gitarre reagiert also äußerst sensibel: Der Ton entsteht im Bruchteil von Millisekunden, und wer eine ausgeklügelte Dynamik erreichen will, darf nicht einmal daran denken, dass er das mit „nur“ guter Spieltechnik hinbekommt. Das Volksinstrument Gitarre ist also im Kern eines der am schwersten beherrschbaren Musikinstrumente – zumindest wenn man Kunstmusikansprüche als Maßstab ansetzt und sich nicht mit dem Geschrammel von Beatles-Songs am Lagerfeuer zufrieden gibt. Besonders Gitarrenensembles können ein Lied singen von den Schwierigkeiten, die das Instrument mit sich bringt. Umso beeindruckender ist die Leistung, die das süddeutsche Aleph Gitarrenquartett auf seiner CD auf dem Label NEOS vollbringt. Mit höchster Präzision und technischer Meisterschaft gehen die vier Herren hier daran, eine ziemlich bunt gemischte Palette Neuer Musik zu offerieren. Die dargebotenen Stücke sind, so weit ich das dem Booklet entnehmen kann, samt und sonders als Auftragskompositionen für das Aleph Gitarrenquartett entstanden. Dass sich hierbei so namhafte Komponisten wie Beat Furrer und Georg Friedrich Haas gewinnen ließen, spricht allein schon für das Ensemble. Zwar weiß ich es nicht genau, aber es hat ganz den Anschein, als hätte das Aleph Gitarrenquartett den beteiligten Komponisten ganz gezielt „Aufgaben“ verteilt. So konzentriert sich etwa Georg Friedrich Haas darauf, per „Echtzeit-Verstimmung“ der Gitarre, also durch das während des Spielens zu vollziehende Betätigen der Stimmschrauben des Instruments, seine besonderen Effekte zu erzielen. Beat Furrer lässt das Gitarrenquartett mit einer Sopranistin (auf dieser CD sehr souverän: Petra Hoffmann) interagieren. Manuel Hidalgo knüpft offenbar gezielt an die klassisch-spanische Gitarrentradition an, Helmut Oehring hat als besonderes Augenmerk die Miteinbeziehung von elektronischer Zuspieltechnik im Gepäck, und Markus Hechtle lässt das Gitarrenquartett mit einem merkwürdigen, schätzungsweise (ich bin kein Gitarrist) vor allem durch Flageoletts herbeigeführten ständigen Klangteppich eine Altklarinette (gespielt von Ernesto Molinari) begleiten – was ein wenig so klingt, wie eine 21. Jahrhundert-Version von Charles Ives‘ „The Unanswered Question“. Kurz und gut: Diese CD setzt eher auf „Rundumschlag“ als auf Einheitlichkeit. Und das ist ganz okay so: Über die gesamte Spielzeit von mehr als 50 Minuten bleibt das Programm spannend und abwechslungsreich. Stets und ständig gibt es Neues zu entdecken. Natürlich führt das auch dazu, dass man als Hörer subjektiv „Favoriten“ ebenso entdeckt, wie manches, was man vielleicht weniger toll finden wird. Fazit: Wieder einmal eine tolle neue CD vom sehr entdeckenswerten Münchner NEOS-Label. So macht Neue Musik Spaß und kann auch breitere Publikumsschichten erreichen – so ist jedenfalls zu hoffen! |
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