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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

R. Schumann - Cellokonzert Op. 129 / A. Dvořák - Cellokonzert Op. 104
Philharmonia Orchestra - V. Ashkenazy; J. Walton (Cello)

(2013)
Signum Classics / Vertrieb: note 1

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Robert Schumann - Cellokonzert Op. 129 / Antonin Dvořák - Cellokonzert Op. 104 & "Leise Wälder" Op. Op. 68, Nr. 5

Medienhighlight mit Ambivalenz-Problem

von Rainer Aschemeier  •  23. März 2013
Katalog-Nr.: SIGCD322 / EAN: 635212032220

Zwar bin ich kein Prophet, aber in diesem Monat wage ich mal eine Prognose: Die neue Schumann-/Dvořák-CD des Philharmonia Orchestra unter Leitung Vladimir Ashkenazys hat das Zeug, zum am meisten beachteten Klassikhighlight des Monats März zu avancieren. Kein Wunder: Ein populäres Programm, ein Weltstardirigent und ein Weltklasse-Orchester kommen hier zusammen. Kenner würden noch ergänzen, dass das Label „Signum classics“ zudem für seine audiophilen Aufnahmen berühmt ist und dass der Solist Jamie Walton zumindest in der anglophonen Welt schon seit ein paar Jahren zu den ganz heißen Insidertipps gehört.

Hier kommt also wirklich alles zusammen, was eine CD-Veröffentlichung auch in unseren Tagen noch so besonders macht, dass wirklich alle hinhören.
Doch, Moment mal! Haben wir da nicht etwas Wichtiges vergessen? Ist es nicht häufig so, dass die „großen Namen“ sich auf dem Papier zwar gut lesen, aber dass das Endergebnis dann ebenso häufig hinter den Erwartungen zurück bleibt?

Nun, im Fall dieser neuen Vorzeigeveröffentlichung aus dem Hause Signum ist das eine ambivalente Angelegenheit.
Die CD wird zunächst mit einer hervorragenden Darbietung des heute wieder deutlich zu selten gehörten Schumann-Konzerts eröffnet. Hier stimmt einfach alles: Vladimir Ashkenazy setzt auf die bekannten Tugenden der Londoner Philharmonia: Streicher satt!
Geradezu „wohlig“ wirkt dieser samtige Orchesterklang, der nicht zuletzt auch durch Schumanns zurückgenommene Orchestrierung entsteht und somit dem Stück immanent ist. Ashkenazy erkennt das und erliegt glücklicherweise nicht der Versuchung, aus diesem von der Anlage her ja so reflektiven, im Wortsinne empfindsamen Konzert eine hochdramatische Veranstaltung machen zu wollen (wie man es auf einigen Aufnahmen aus früheren Jahrzehnten zuweilen nachhören kann). In erfrischend gelassener, fast schon relaxt zu nennender Weise bildet das Philharmonia Orchestra hier einen sagenhaft klangschönen „Teppich“ für das Soloinstrument. Und bei kaum einem anderen Konzert ist die Rolle des Orchesters wichtiger als bei Schumanns Cellokonzert – stehen sich hier doch Solist und Orchester auf Augenhöhe gegenüber!

Jamie Walton, der britische Cello-Shootingstar, erweist sich als idealer Interpret für dieses Stück. Mit traumwandlerisch sicherer Intonation wuselt er sich durch jede auch noch so knifflige Stelle des dritten Satzes. Im zweiten Satz weiß er, wie wichtig es ist, sich hier teamdienlich zu verhalten, um den herrlich komponierten „Akkord“-Effekt mit dem „Zwillingscello“ im Orchester adäquat herauszustellen. Im ersten Satz klingt sein Spiel gleichermaßen selbstbewusst und individuell wie werkdienlich und sachbezogen.
Wow! Dieser Signum-Schumann ist wirklich ganz große Klasse und hat sicherlich das Zeug, auf den Lieblingslisten vieler Schumann-Jünger ganz weit oben zu landen.

Doch kaum beginnt das noch populärere Dvořák-Konzert, macht sich Ernüchterung breit: Wo ist plötzlich das grandiose Einfühlungsvermögen hin, das beim Schumann-Konzert gerade noch da war? Laufen hier Solist und Orchester nicht auch manchmal „aus der Spur“, sind irgendwie nicht ganz synchron? Könnte das alles nicht deutlich spritziger, lebhafter sein?
Ich gebe zu: Diese CD stellt mich vor ein Rätsel. Eben noch war ich kurz davor, die Platte schon mal auf die Kandidatenliste zur „CD des Jahres“ zu notieren, da lugt diese zwar im Wesentlichen zwar korrekt gespielte, aber auch einfach etwas nichtssagende und langatmige Dvořák-Einspielung um die Ecke. Ich bin verblüfft!
Man hätte annehmen können, dass sowohl Routinier Walton als auch der in Sachen Dvořák hinlänglich vorerfahrene Ashkenazy bei dem wohl populärsten aller Cellokonzerte wissen müssten, worauf es ankommt: Verve und Emotion!

Und so bleibt diese CD eine zwiegespaltene Angelegenheit: Eine der in meinen Ohren besten Einspielungen des Schumann-Konzerts aus den letzten Jahren trifft auf eine erstaunlich mediokre Dvořák-Wiedergabe.

Immerhin: Der Sound dieser CD ist bei beiden Werken Signum-typisch gut. Die Briten setzen seit jeher auf einen Sound, der vor allem das mittlere und tiefe Frequenzspektrum zur Geltung kommen lässt und zur Soundshow par excellence macht. Mir nötigt das stets tiefen Respekt ab, denn die meisten sogenannten „HiFi“-Labels glauben oft genug, hochwertiger Klang würde sich in einem hyperbrillanten Hochtonspektrum äußern, während „untenrum“ auch Standardqualität genügt. Signum bildet auf dieser CD das Orchester hingegen sehr homogen und natürlich ab. Dieses warme, räumliche Klangbild ist ein Genuss.

Am Ende bleibt aber der Inhalt die Zielgröße. Und da ergeben der starke Schumann und der schwache Dvořák am Ende nicht mehr als eine mittelmäßige Drei-Punkte-Wertung. Schade! Das hätte mehr sein können…

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