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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Live in Concert on Érard
Sergio Fiorentino (Klavier)

(2013)
Aldilá Historic / Vertrieb: Naxos

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Sergio Fiorentino - Live in Concert on Érard

Il solo altro pianista!

von Rainer Aschemeier  •  6. Mai 2013

Den Namen des italienischen Pianisten Sergio Fiorentino hatte ich vor dem Genuss dieser beim ambitionierten und taufrischen Label Aldilá erschienenen CD höchstens mal am Rande irgendwo gehört. Seine Kunst als solche war mir hingegen bis dato unbekannt. Was für eine Wissenslücke, kann ich da nach dem Hören dieser Doppel-CD nur sagen!

Die Lebensgeschichte des Sergio Fiorentino ist im Prinzip schnell erzählt: Vielversprechender junger italienischer Pianist beginnt eine Solistenlaufbahn und gewinnt einen Wettbewerb nach dem anderen. Weil der Erfolg jedoch moderat bleibt, er nach einem Flugzeugunfall mit Rückenschäden nur noch unter Schmerzen Klavier spielen kann und er dem unsteten Reiseleben eines international agierenden Tastenlöwen zudem auch nichts abgewinnen kann, zieht sich der Künstler mehr oder weniger komplett aus dem Rampenlicht zurück, um sich ab dem Zeitpunkt primär einer Laufbahn als Lehrer und Ausbilder zu widmen.

Erst nach dem eigentlichen „Rentenalter“ kehrt der Pianist auf das Podium zurück – und zwar einzig und allein aufgrund der privaten Initiative eines Fans! Der deutsche Gymnasiallehrer Ernst Lumpe griff 1989 kurzerhand zum Telefonhörer und quasselte sich so lange durch italienische Leitungen bis er Sergio Fiorentino an der Strippe hatte. Lumpe lud den inzwischen in Würde galterten Maestro zu einigen Konzerten nach Deutschland ein – und das erstaunliche geschah: Plötzlich ließen auch internationale Konzertveranstalter wieder von sich hören.
1996 spielte Fiorentino schließlich beim renommierten Newport Festival und sorgte für viel Furore. Auf einmal wollte ihn jeder „haben“. Der inzwischen 69-Jährige konnte sich vor Auftrittsangeboten nicht mehr retten. Bevor diese ungewöhnliche Karriere ihren „zweiten Frühling“ so richtig durchstarten konnte, starb Sergio Fiorentino 1998 plötzlich und unerwartet.

Die Liste der Fiorentino-Bewunderer ist handverlesen: Arturo Benedetti Michelangeli, der ihn ehrfurchtsvoll und wohl auch etwas eingebildet als „il solo altro pianista“ zu bezeichnen pflegte, Vladimir Horowitz, usw.
Heute ist es der Pianist Alexander Longquich, der sich im Booklet-Text zu dieser CD an Fiorentino erinnert.

Wie immer bei Aldilá-records ist die CD-Veröffentlichung top ausgestattet: Grafisch reizvoll, textlich informativ, musikalisch qualitativ. Auf dieser Doppel-CD gibt es äußerst rares Futter für die inzwischen wieder drastisch angewachsene Zahl der Fiorentino-Jünger weltweit, denn hier liegen die ersten CD-Veröffentlichungen zweier historischer Aufnahmen vor.
Die erste ist die Wiedergabe eines Recitals aus Münster, bei dem Fiorentino auf einem historischen Èrard-Flügel aus dem Jahr 1880 musizierte, der einst dem Komponisten und späteren polnischen Ministerpräsidenten Ignaz Paderewski gehörte, der ihn überdies persönlich signiert hatte.
Obwohl Fiorentino kein Spezialist für die Aufführungspraxis auf historischen Instrumenten war, willigte er in die ungewohnte Aufnahmesituation ein (Zitat Fiorentino: „It will be difficult.“) und kreierte bei diesem Recital eine ganz erstaunliche Atmosphäre.
Bach, Franck, Schubert, Chopin und Strauss sind die Namen der Komponisten, die bei dem Konzert in Münster zur Aufführung kamen. Eine Aufnahme ist schöner und bemerkenswerter als die andere. Fiorentinos kraftvoller, geradezu lichtdurchfluteter Anschlag kommt auf dem Érard auf ganz besondere Weise zur Geltung. Dieses Recital ist ein spektakuläres Musikdokument!

Weiter geht es mit einer Aufnahme der BBC aus dem Jahr 1955 von Rachmaninoffs viertem Klavierkonzert. Fiorentino musiziert hier mit dem BBC Northern Symphony Orchestra unter dem Dirigat von Ian Whyte. Unverständlicherweise hat die BBC das Originalband von damals gelöscht!
Viele Jahre blieb diese Aufnahme daher eine hinter der Hand getuschelte Legende unter Fachleuten. Nun erklingt sie hier auf dieser CD – erneut dank des Privatmitschnitts eines privaten Sammlers, der diese Aufnahme noch auf Tonband in seiner Mitschnittsammlung gehortet hatte.

Klanglich muss man bei dieser Doppel-CD ein paar Abstriche machen. Beim Érard-Recital von 1994 handelte es sich um eine Privataufnahme mit nur semiprofessionellem Equipment, bei der anderen Aufnahme muss man froh sein, dass sie überhaupt noch vorliegt, nachdem die BBC ja alles dafür getan hat, um sie zu vernichten.
Diese CD ist aber auch mit suboptimalem Klangbild eine herausragende Entdeckung und eine wertvolle Ergänzung zu der unter Sammlern immer höher gehandelten Diskografie Sergio Fiorentinos.

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