M. Bruch - Schottische Fantasie, Violinkonzert Nr. 1, Violinromanze op. 85 (2013)
• • • • Max Bruch - Schottische Fantasie, Violinkonzert Nr. 1, Violinromanze op. 85Nicht Referenzklasse, aber sehr gutvon Rainer Aschemeier • 7. März 2013
Über Max Bruch habe ich hier bei the-listener.de schon so oft geschrieben (siehe etwa hier, hier, hier: und hier), dass ich mir an dieser Stelle die übliche „Kurzvorstellung“ des Komponisten erspare. Immerhin haben wir es hier auch mit einem Werk zu tun, das zu den populärsten Stücken des Orchesterrepertoires und zu den populärsten Violinkonzerten weltweit gehört. Hinter Max Bruchs erstem Violinkonzert verbirgt sich eine Erfolgsgeschichte ohnegleichen ebenso, wie eine Geschichte des unachtsamen Scheiterns. Bruch komponierte das Werk, als er sich mit Geldsorgen herumschlug und verkaufte daher die Rechte an dem Werk für einen Hungerlohn. Sein Leben lang musste er nun mit ansehen, wie sich die Popularität seines bekanntesten Werks in aller Welt wie ein Lauffeuer ausbreitete – und er sah dabei keinen einzigen Groschen Tantiemen. Bruch versuchte diesem Umstand Abhilfe zu schaffen, indem er weitere Violinkonzerte, eine Violinserenade, mehrere Violinromanzen und eine „Fantasie“ für Violine und Orchester (die sogenannte Schottische Fantasie) komponierte – doch vergeblich! Keines dieser (übrigens durch die Bank sehr hörenswerten) Werke konnte mit dem Ruhm gleichziehen, den das erste Violinkonzert erlangt hatte. Der Komponist geriet darüber immer mehr in einen Zustand der Verbitterung und Launenhaftigkeit und übersah möglicherweise dabei, wie viele Türen ihm doch auch sein erstes Violinkonzert geöffnet hatte. Heute wird Bruchs weit gespanntes Œuvre leider noch immer nicht in der Ernsthaftigkeit wiederentdeckt, wie es ihm eigentlich gebühren würde. Stattdessen bekommen wir weiterhin vor allem sein erstes Violinkonzert aufgetischt und die Werke, die inzwischen wieder eine breitere Bekanntheit erlangt haben, wie etwa die vorzügliche, an Mendelssohns dritter Sinfonie orientierte Schottische Fantasie. Beide Werke gibt es auf der hier vorzustellenden neuen SACD aus dem schweizerischen HiFi-Hause Tudor. Als sehr willkommenen Bonus haben uns die Schweizer noch die wunderschöne Violinromanze op. 85 F-Dur beigegeben, die so typisch Bruchs Kompositionsstil verkörpert, wie kaum ein anderes Stück dieses bedeutenden Vertreters der Spätromantik. Die Bamberger Symphoniker spielen auf dieser Neuveröffentlichung unter der Leitung des Rumänen Ion Marin, der über viele Jahre Dirigent an der Wiener Staatsoper war und heute als gern gesehener Gastdirigent bei den bedeutendsten Sinfonieorchestern Europas ein und aus geht. Solist ist niemand Geringerer als Guy Braunstein – seines Zeichens seit 13 Jahren Konzertmeister der Berliner Philharmoniker. Eine tolle Besetzung! Doch große Namen auf dem Papier machen noch keine große Aufführung auf der CD. Wie steht’s hier also um die Interpretation? Die Bamberger unter Ion Marin nehmen die herrlichen Bruch-Konzerte (streng genommen ist ja auch die sogenannte Schottische Fantasie nicht weniger als ein relativ konventionelles Violinkonzert) überaus konservativ und stellen sich damit in die Tradition von Interpreten wie etwa Jascha Horenstein in der legendären Oistrakh-Aufnahme der Schottischen Fantasie oder Rudolf Kempe in seiner DECCA-Aufnahme des ersten Violinkonzerts mit Kyung Wha Chung. Bis hierhin also alles in Ordnung. Doch gibt es ja auch noch den Solisten. Nun ist es nicht so, dass Guy Braunstein schlecht spielen würde – ganz im Gegenteil! Seine Intonation ist perfekt, der Ton seiner Ruggeri-Geige ist äußerst klangschön, er ist jederlei Virtuositätsanforderungen dieser zum Teil durchaus schwierigen Stücke vollauf gewachsen. Aber: Braunstein hat nicht das gewisse „Etwas“, jene Individualität, die wahrhaft große Solisten auszeichnet. Und die hier zu hörenden Stücke sind in Einspielungen großer Individualisten erhältlich: Ich nenne nur einmal die Namen Oistrakh, Chung, Fedotov, Accardo, Perlman, Heifetz, Vengerov, Kennedy, Mutter, Grumiaux… die Liste ließe sich endlos fortsetzen. In dieser Hinsicht haben wir es hier also mit einer orchestral sehr überzeugenden Interpretation zu tun, deren Solist jedoch nur wenig Persönlichkeit mitbringt – perfekte Technik ist eben nicht alles! Dennoch dürfte diese SACD, nicht zuletzt wegen ihres Tudor-typisch großartigen Klangbilds, das viel Natürlichkeit und eine überzeugende orchestrale Balance ausstrahlt, durchaus zum oberen Drittel der wahrlich zahllos am Markt verfügbaren Einspielungen zählen. Abschließend meine Empfehlungen: In Sachen Schottische Fantasie finde ich die grandiose Naxos-Einspielung des Russian Philharmonic Orchestra unter Dmitry Yablonsky mit dem Solisten Maxim Fedotov immer wieder besonders gut. |
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