R. Wagner - Siegfried-Idyll / A. Bruckner - Streichquintett in F-Dur (in Bearb. für Streichorch.)
Württem-bergisches Kammerorchester Heilbronn - R. Gazarian
(2013)
Bayer Records / Vertrieb: note 1
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Sehr willkommener Beitrag zum Wagner-Jahr
von Rainer Aschemeier • 15. Februar 2013
Katalog-Nr.: 100 391 / EAN: 4011563103912
Das Württembergische Kamerorchester Heilbronn zählt spätestens seit Amtsantritt seines zurecht viel gelobten Musikdirektors Ruben Gazarian (seit der Saison 2002/2003 und demnach seit ziemlich genau zehn Jahren) zu den namhaftesten Kammermusikvereinigungen der Republik – und das nicht nur im Konzertsaal.
Auch mit seinen CD-Einspielungen bei Labels wie etwa MDG und Deutsche Grammophon hat sich das Orchester in den letzten Jahren einen sehr guten Ruf erworben.
Eine besonders langjährige Beziehung verbindet das Württembergische Kammerorchester Heilbronn allerdings mit jenem tapferen Label aus Bietigheim-Bissingen, das seit den 1980er-Jahren von seinem Gründer Rudolf Bayer geleitet wird: Bayer Records.
An dieser Stelle hatte ich bereits ein wenig über das kleine aber stets feine Label geschrieben, und ich darf sagen: Ich finde diese solide Plattenfirma, die schon seit Jahrzehnten allen Widrigkeiten des schwierigen Independent-Segments im Klassik-Genre trotzt, seit jeher sympathisch.
Auch die jüngste CD der Württemberger liegt wieder bei Bayer Records vor und erscheint – pünktlich zum Auftakt des Wagner-Jubiläums 2013 – mit einer Neuaufnahme des zwar populären, aber derzeit gar nicht sooooooo inflationär auf dem CD-Markt erhältlichen Siegfried-Idylls. Ergänzt wird das Programm durch eine interessante Kammerorchesterbearbeitung des F-Dur-Streichquintetts von Anton Bruckner – jenem Stück also, bei dessen Erwähnung garantiert immer irgendwo einer ruft: „Was! Bruckner hat auch Kammermusik komponiert?“
Beginnen wir aber mit dem Siegfried-Idyll. Eine Spezialität des Heilbronner Kammerorchesters ist es ja, auch sinfonisches Repertoire der Romantik und Spätromantik aufzunehmen, womit dem Ensemble schon so manche Überraschung gelungen ist. Ruben Gazarian ist im Übrigen auch genau der richtige Mann für diese Musik: Bei ihm muss auch ein Kammerorchester voll und sonor klingen – sei es bei Wagner oder Mozart. Was läge also näher, als Gazarians hier zu hörende Siegfried-Idyll-Deutung einmal gegen die legendäre Karajan-Aufnahme der Berliner Philharmoniker auf Deutsche Grammophon ins Rennen zu schicken?
Beim direkten Vergleich sind Ähnlichkeiten festzustellen, aber auch gravierende Unterschiede: Sowohl Gazarian als auch Karajan sind ausgesprochene Legato-Fans, und sowohl die Württemberger aus Heilbronn als auch die philharmonischen Berliner haben mit der schwierig zu exekutierenden Legatobegeisterung ihrer Dirigenten keinerlei Probleme. Das hat man anderswo schon weitaus weniger überzeugend gehört, erst kürzlich hatten wir hier so einen Fall.
Das Württembergische Kammerorchester jedoch gibt sich keine Blöße, spielt auch im vom Dirigenten groß gefassten Bindebogen jederzeit sehr distinguiert und äußerst korrekt.
Wie einst die Berliner unter Karajan? Nein, da gibt es dann doch Unterschiede. Ruben Gazarian holt Wagners Siegfried-Idyll aus dem karajanischen Pastell-Himmel und lässt es wieder irdisch sein. Sein Wagner darf modern sein, soll durchhörbar werden und hat auffallend kammermusikalische Stellen. Es ist dies eigentlich eine Mahler-Interpretation, angewandt auf ein Wagner-Orchesterstück – wenn man das so sagen kann. Und dieser Ansatz funktioniert wirklich gut.
Kommen wir zum Bruckner: Dessen Streichquintett liegt hier in einer Bearbeitung des österreichischen Dirigenten Hans Stadlmair vor (wir erinnern uns: Es handelt sich um jenen Stadlmair, der vor einigen Jahren die verdienstvolle erste Gesamteinspielung der Sinfonien Joseph Joachim Raffs mit den Bamberger Symphonikern besorgt hat).
Vor allem im Adagio wird nochmals deutlich, mit viel Akkuratesse das Württembergische Kammerorchester Heilbronn hier zu Werke geht. Während anderswo solcherlei Streichorchester-Bearbeitungen auch schon mal ins Pastöse abgleiten können, wissen dies die Württemberger unter Gazarian zu verhindern. Es kommt die erstaunliche Erkenntnis, dass es die sehr kleinteilig ausdifferenzierte dynamische Behandlung der Einzelstimmen ist, die bei diesem Orchester den Ausschlag gibt. Das deutet darauf hin, dass wir es hier mit einem Orchesterleiter zu tun haben, der sich nicht nur über so etwas gute Gedanken macht (man sollte meinen, das sei eine Grundvoraussetzung für jeden Dirigenten – doch weit gefehlt!), sondern der zudem auch noch genau weiß, wie er seine Klangvorstellungen dem Orchester verklickern kann. Und das ist wahrlich ganz große Klasse!
Gibt es denn nun gar nichts, was man an dieser CD aussetzen könnte (Zumal auch noch der Booklet-Text informativ und unterhaltsam geschrieben ist!)?
Doch, es gibt ein Manko: Es ist der etwas dumpfe, an Bässen zu reiche und an Höhen zu arme Aufnahmeklang der Produktion. Zwar kann man auch diesen Aspekt der CD durchaus nicht als schlecht bezeichnen, jedoch ist es auch nicht gerade gerechtfertigt, den Sound dieser CD als besonders HiFi-mäßig hervorzuheben, wie es das Label immerhin tut.
Diese leichten Abzüge in der „B-Note“ sollten uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es hier mit einer sehr guten Einspielung zweier wunderschöner Werke zu tun haben, die jedem anempfohlen sei, der für sein „persönliches“ Wagner-Jahr noch CD-Futter sucht: Diese CD macht nicht nur Sinn (wie wenig Anderes, was bislang im sogenannten Wagner-Jahr das Licht der Welt erblickte), sie ist auch noch verdammt gut!