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The Listener

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Z. Kodály - Konzert für Orchester, Sinfonie in C, "Sommerabend"
Miskolc Symphony Orchestra - L. Kovács

(2013)
Hungaroton

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Zoltán Kodály - Konzert für Orchester, Sinfonie in C, "Sommerabend"

willkommene diskographische Bereicherung

von Rainer Aschemeier  •  3. März 2013
Katalog-Nr.: HCD 32723 / EAN: 5991813272324

Beim ungarischen Label „Hungaroton“ erschien im Februar eine CD mit einigen der wichtigsten Orchesterwerke von Zoltán Kodály, der neben Bela Bartók als der bedeutendste ungarische Komponist des 20. Jahrhunderts gehandelt wird.

Mit dem „Konzert für Orchester“, der „Sinfonie (in C)“ sowie dem Stück „Sommerabend“ handelt es sich bei der hier vorgestellten Neueinspielung der Stücke nicht nur um ein prallvolles Programm, sondern auch um eine reizvolle programmatische Mischung. Die genannten Stücke sind nämlich kompositorisch nicht minder wertvoll als Kodálys bekannte „Hary Janos“-Suite oder die gleichfalls sehr bekannten „Tänze aus Galanta“.
Natürlich atmen das Konzert für Orchester oder die Sinfonie weniger „ungarisches Lokalkolorit“ aus, doch sind sie ja dadurch nicht weniger interessant. Ganz im Gegenteil: Stellt sich Zoltán Kodály mit diesen zum Teil hoch ambitionierten Werken doch in eine Reihe mit den Großen seiner Zeit. So wurde etwa Kodálys „Konzert für Orchester“ vom Chicago Symphony Orchestra in Auftrag gegeben – gemeinsam mit neuen Werken von Strawinsky, Casella, Milhaud, Glière und Walton. Es ist beinahe logisch, dass Kodály da die Absicht hatte, zu kompositorischer Höchstform aufzulaufen.
Übrigens war es niemand Geringeres als ein gewisser Bela Bartók, der die Partitur höchstpersönlich über den Atlantik schiffte und sie dem Chicagoer Dirigenten Frederick Stock übergab, der das Stück für sein Orchester in Auftrag gegeben hatte.

Kurz und gut: Sowohl mit dem Orchesterkonzert, als auch mit der ebenfalls reiz- und gehaltvollen Sinfonie in C haben wir hier zwei wirklich schöne Werke beisammen, die hier von dem zwar gut 17-minütigen, aber im Endeffekt kompositorisch doch weniger gehaltvollen „Sommerabend“ ergänzt werden.

Die Interpretation bestreitet – wie bei Hungaroton-Aufnahmen üblich – ein ungarisches Orchester, und zwar das Sinfonieorchester aus Miskolc (zu deutsch einst als „Mischkolz“ bekannt und mit rund 170.000 Einwohnern immerhin die viertgrößte Stadt Ungarns). Dirigent László Kovács studierte in Russland am Bolschoi-Theater unter Yuri Simonov und wirkte einige Zeit auf persönliche Einladung Antal Doratis als dessen Assistent. Seit nicht weniger als 29 Jahren (!) steht er nun als Chefdirigent dem hier zu hörenden Orchester aus Miskolc vor und dürfte damit einer der europaweit dienstältesten Chefdirigenten bei ein und demselben Sinfonieorchester sein.

Alles schön und gut, aber wie ist die hier vorliegende Neuinterpretation dieser schönen Werke im verfügbaren Konkurrenzumfeld einzuordnen? Letzteres ist nicht eben groß, aber es ist namhaft!
Die hier zu hörenden Stücke (lassen wir den äußerst selten gespielten „Sommerabend“ mal außen vor) existieren auch in Einspielungen bei anderen Labels, von denen folgende drei wohl am bekanntesten und am meisten verbreitet sein dürften: Philharmonia Hungarica unter Antal Dorati (Decca), Radio-Symphonie-Orchester Berlin unter Ferenc Fricsay (Deutsche Grammophon) sowie das BBC Philharmonic Orchestra unter Yan Pascal Tortelier (chandos).

Im direkten Vergleich mit der hier besprochenen Neuaufnahme bleibt Doratis Referenzeinspielung auf DECCA – so viel sei gleich vorab gesagt – unangefochten, obwohl auch sie nicht ideal ist und qualitativ gesehen noch „Luft nach oben“ für neue Herausforderer ließe.
Die Miskolcer unter Kovács vermögen es jedoch jederzeit mit dem BBC Philharmonic auf chandos mitzuhalten und – hört, hört – auch mit der historischen Fricsay-Einspielung auf Deutsche Grammophon. Diese neue CD hätte sogar an der Dorati-Aufnahme zumindest kratzen können, wenn das Orchester aus dem Nordosten Ungarns nicht einen entscheidenden Nachteil hätte: Die Streicher!
Während es hier nämlich an den Bläsern und der Perkussionssektion des Orchesters nicht viel zu meckern gibt, spielen die Streicher leider etwas nervös und rhythmisch ungenau. Das hört man sowohl beim schwierigen Orchesterkonzert, als auch bei dem wuchtigen und raffiniert synkopierten Sinfonie-Auftakt.

Dorati macht mit seiner (ebenfalls nicht soooooo toll auftrumpfenden Philharmonia Hungarica) daraus ein rhythmisches Fest, die Mannen aus Miskolc hingegen wirken doch manchmal etwas bemüht.
Ich möchte aber noch einmal betonen, dass diese Einspielung im Rahmen des derzeit am Markt Verfügbaren einen wirklich recht guten zweiten Platz hinter der klanglich in die Jahre gekommenen Dorati-Aufnahme einnimmt.
Nun wäre das ja dann eigentlich die Option gewesen, bei der man hier gut hätte punkten können: Beim Aufnahmesound. Dieser ist auch beileibe nicht schlecht ausgefallen, klingt schön ausbalanciert, sonor und warm. Er ist aber auch weit entfernt davon, als HiFi-Genuss bezeichnet werden zu können, denn die Einspielung wirkt dafür klanglich zu eng und vor allem zu höhenschwach. Die Räumlichkeit fehlt und die Durchhörbarkeit erst recht. Insgesamt könnte man sagen: Gar nicht mal schlecht, aber auch alles ein wenig „gestrig“.

Es sei abschließend aber noch einmal betont: All diese Defizite haben auch alle anderen marktgängigen Einspielungen (ja, auch die DECCA-Einspielung, die beileibe nicht als klangliches Highlight dieser sonst so soundbewussten Manufaktur durchgeht).
In diesem Kontext muss man abschließend konstatieren: Auch die Neuaufnahme dieser an sich so reizvollen Kodály-Stücke ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber sie ist eine durchaus willkommene diskographische Bereicherung, die manche alt eingesessene Interpretation auszustechen vermag, wenn sie auch nicht ganz an die Referenzklasse der alten Dorati-Deutung heranreicht.

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