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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

American V: A Hundred Highways
Johnny Cash

(2006)
American

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Johnny Cash - American V: A Hundred Highways

von Frank Castenholz  •  1. September 2006

Johnny Cashs Abschiedsvorstellung beschert uns die wohl am kritischsten rezipierte Veröffentlichung seiner American Recordings. Was wurde im Vorfeld nicht alles befürchtet und beklagt: Produzent Rick Rubin zocke nur ab; Cash habe der Fledderei doch bestimmt niemals zugestimmt; seine mythologische Verklärung steige postum; die erst nach seinem Tod beigefügten Arrangements verfälschten, seien süßlich und verkitscht.

Alles falsch oder unwichtig, ein Glück! Zunächst liegt nüchtern betrachtet überhaupt kein Problem darin, dass mit the late great Johnny Cash Geld verdient wird, sofern dies nicht auf Grundlage minderwertigen Materials geschieht. Cash selbst, der sich unter Aufwendung seiner letzten Kräfte vor das Mikro schleppte und in nicht nur zufälliger Anwesenheit eines Produzenten aufnahm, dürfte der Gedanke daran, dass das auch mal jemand außer ihm selbst zu hören bekommt, nicht allzu fern gelegen haben. Was daher für den Käufer allein zählen sollte, ist die Qualität der Aufnahmen.

Womit wir beim wichtigsten wären, dem musikalischen Gehalt: Anders als in manchen Kritiken zu lesen, finden sich in den Arrangements tatsächlich nirgends Spuren von Melasse, Maggi oder Mehlschwitze. Das ist alles mindestens so à point gegart wie auf American II-IV, eher noch karger; zugleich erstaunlicherweise auch homogener als seine Vorgänger und insofern nur mit American I vergleichbar. Man hört in jeder Rille den Respekt Rubins und der involvierten Studiomusiker vor dem Man in Black, aber auch vor der – letztlich barourös bewältigten – Aufgabe. Die Instrumente und sogar die Songs selbst stellen sich ganz in den Dienst der Sache, sie gehen ganz in Cashs Vortrag auf; dabei geht es gar nicht so sehr um die Eingängigkeit bestimmer Melodiestränge, nicht mal um die Bedeutungsschwere einzelner Zeilen, sondern, auch wenn es etwas pathetisch klingt, um das vollständige Verschmelzen von Werk und Interpret. Ob die Songs nun in ihrer Gesamtheit mehr oder weniger eminent erscheinen (drei „Hits“ auf American IV gegen vier auf American III gegen…?) spielt daher für eine Bewertung keine wesentliche Rolle. Es ist erstaunlich – vielleicht das größte Verdienst Rubins – , dass es sich tatsächlich trotz Nachvertonung und -selektion der Tracks nach einem geschlossenen Werk, nach einem „Album-Album“, nicht nach dem kleinen Bruder von „Unearthed“ anhört.

Die Intensität, die natürlich auch den außermusikalischen Umständen geschuldet ist, ist stellenweise atemberaubend, nicht nur dort, wo Cashs eigener Atem stockt; sie erinnert atmosphärisch, anders als manches auf den Vorgängern, nicht an die solide Hausmannskost eines Tom Petty, sondern eher an das drängende Bekenntnis eines David Eugene Edwards, wie es auf „Folklore“ von Sixteen Horsepower oder auf den Woven Hand-Alben zu hören ist – nur eben in Cashs eigener gottgefasster Gelassenheit.

Wenn man nun einzelne Songs als besonders groß herauspicken wollte, dann wären das für mich – neben dem archaisch stampfenden „God´s Gonna Cut You Down“, „Further On Up The Road“ und seiner letzten Eigenkomposition „Like The 309“ – das wohlweislich titelgebende, in seiner bilanzierenden Direktheit tränenziehende „Love´s Been Good To Me“. Nicht nur deshalb fällt die zweite Albumseite um keinen Deut gegenüber der ersten Seite ab. Welch ein Abschied, welch eine Bürde für ein etwaiges American VI!

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