S. ten Holt - Solo Piano Music Vol. I-V (2013)
• • • • • Simeon ten Holt - "Canto Ostinato", "Soloduiveldans" I-IV, "Natalon in E", "Aforisme II", "Eadem Sed Aliter"Die niederländische Antwort auf den musikalischen "Minimalismus"von Rainer Aschemeier • 23. Februar 2013
Fragte man Menschen nach den Hauptexportartikeln der Niederlande, wären die beliebtesten Antworten wohl Käse, Eierlikör sowie diverse süße Snacks, wie etwa Poffertjes, Stropwafels, usw. Am Ende käme vielleicht sogar noch jemand auf die Idee, niederländisches Bier trinken zu wollen. Was oft übersehen wird, ist das musikalische Werk von Simeon ten Holt. Er, der noch bei Arthur Honegger und Darius Milhaud, also den großen Namen der Gruppe „Les Six“ studiert hatte, entwickelte sich nach einem Beginn im Fahrwasser einer Art „Spätexpressionismus“ hin zu einem der bedeutenden musikalischen Minimalisten – und wenn ich sage „bedeutend“, so meine ich das in diesem Fall durchaus weltweit. „Canto Ostinato“ von Simeon ten Holt gehört heute zu den weltweit am meisten aufgeführten Werken des musikalischen Minimalismus und kann auf derzeit nicht weniger als zwölf verschiedenen, aktuell erhältlichen CD-Einspielungen nachgehört werden. Ten Holts Musik als Solche ist prädestiniert für die im Zusammenhang mit musikalischem Minimalismus viel gehörte Pauschalisierung: „Da passiert ja gar nichts!“ Gleichzeitig offenbart sie, wie fehlerhaft dieses Pauschalurteil ist. Wer nämlich konzentriert hinhört, merkt, wie unglaublich viel in dieser Musik stattfindet. Nur findet es auf anderen Ebenen statt, als wir es üblicherweise gewohnt sind. Es ändert sich eben nur wenig im melodischen und dynamischen Gefüge. Hingegen passiert sehr viel im Bereich von Anschlag, kompositorischer Syntax und Rhythmik. Ten Holts Musik erinnert stets an Gespräche, an Sprache an sich: Mal wirkt sie wie aufgeregt durcheinanderbrabbelnde Stimmen („Soloduiveldans II“, Section 1), mal wie intensive Gespräche zwischen zwei Individuen („Natalon in E“). Änderungen finden hier viele, beinahe unzählige statt, jedoch auf engstem Raum. Mal wird eine einzige, vor Sekunden noch legato gespielte Note zum stakkato, mal ändert sich die Tonhöhe eines einzelnen Tones, nur um wenige Augenblicke später wieder auf seine ursprüngliche Tonhöhe zurückzufallen. Ich gebe gerne zu, dass ich ten Holts Musik zutiefst faszinierend finde. Wer hier eine fehlende „Poetik“ beklagt oder bemängelt, dass hier keine kompositorische Entwicklung stattfinden würde, hat nichts verstanden. Es ist nicht fair, Musik wie die von ten Holt mit anders arbeitenden Komponisten und schon gar nicht mit den „Klassikern“ in einen Topf zu werfen – allein deswegen schon nicht, weil ten Holt mit seiner Musik ganz andere Ziele verfolgte. Seine Musik war stets Prinzip. Und wer das nicht gut findet, muss streng genommen auch bildende Künstler und Architekten ablehnen, die sehr prinzipienbasiert arbeiten. Die vorliegende Brilliant Classics-Edition weist in Jeroen van Veen jedenfalls den denkbar besten Interpreten für diese Musik auf und kommt in einer sehr sehr ansprechenden klanglichen Gestaltung daher, die ein wunderbar klingendes Klavier in einem akustisch und hallmäßig vorbildlich „ausgeleuchteten“ Raum präsentiert. So sollten Klavieraufnahmen ruhig öfters klingen! Hier kann sich manch anderes Label eine Scheibe abschneiden. |
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