"Lost Generation" (2013)
• • • • • "Lost Generation" - Musik von Schulhoff, Ullmann und TauskýEine weitere lohnende Veröfffentlichung in der vorbildlichen Gramola-Serie "exil.arte"von Rainer Aschemeier • 21. Januar 2013
Unter dem Namen „exil.arte“ legt die Wiener Plattenfirma Gramola seit einigen Jahren eine sehr verdienstvolle und gut zusammengestellte Edition auf, die Musik von den Komponisten beinhaltet, die von der NS-Herrschaft wegen ihrer jüdischen Abstammung, ihrer angeblich „entarteten“ Kunst oder aus sonstigen Gründen diskriminiert, verfolgt, ins Exil getrieben oder gar getötet worden sind. Wie beinahe zu erwarten war, entpuppen sich hierbei vor allem die Schulhoff-Werke als herrliche, musikalisch äußerst interessante Exemplare des musikalischen Expressionismus im Fahrwasser solcher Größen wie etwa Paul Hindemith oder Ernst Toch. Schon des Öfteren habe ich hier bei the-listener.de geschwärmt, wenn die Sprache auf Schulhoffs Musik kam (so z. B. hier). In der Tat bin ich bei so ziemlich jedem Schulhoff-Werk, das nach jahrzehntelanger Ignorierung dieses vortrefflichen Komponisten neu auf CD erscheint, begeistert wie selten – so auch diesmal: Wie frisch und beschwingt klingt das hier zu hörende Doppelkonzert für Flöte, Klavier und Streichorchester! Und wie raffiniert und doppelbödig ist es komponiert! Das ist ganz große Klasse und keinen Deut schlechter als ähnliche Werke anderer, inzwischen weitaus bekannterer Expressionisten. Die sogenannte „Kammersinfonie“ Op. 46a des im äußersten Süden Polens an der Grenze zu Tschechien geborenen Komponisten Viktor Ullmann ist das wohl spannendste Stück auf der CD. Es entstand als eines der letzten Werke im Leben Ullmanns, der zum Zeitpunkt der Komposition bereits im Lager Theresienstadt sein Dasein fristete (1944 wurde er nach Auschwitz verschleppt, wo er vermutlich in der Gaskammer ermordet wurde). Abschließend noch ein Wort zu dem schönen Stück „Coventry“ von Vilém Tauský. Dieser tschechischstämmige Komponist ist in dem Trio der hier versammelten Künstler der einzige, der die Zeit der NS-Herrschaft überlebt hat. Er flüchtete bereits 1938 über Frankreich nach Großbritannien, wo er auch für die meiste Zeit seines restlichen Lebens blieb. Er verstarb erst 2004 in London, kurz nachdem er und sein kompositorisches Werk – angestoßen durch das Londoner Jewish Music Institute – in kleinem Maßstab „wiederentdeckt“ worden waren. Die Interpretationen durch das English Chamber Orchestra unter David Parry mit den Solist/innen Russell Ryan (Klavier) und Ulrike Anton (Flöte) sind durch die Bank hervorragend. Dies gilt in gleichem Maß für den Sound der Aufnahme, der ebenfalls sehr zu gefallen weiß, wenn er auch nicht höchste HiFi-Gipfel zu erklimmen vermag. Fazit: Eine ganz tolle CD mit guter, wirklich schöner Musik in durchweg hochklassigen Interpretationen! Jeder, der sich für den Expressionismus der 1920er- bis 1940er-Jahre begeistern kann, sollte hier keinen Augenblick zögern und am besten sofort zugreifen! Hier gibt’s keine exotische Nischenware, sondern echte Repertoirebereicherungen, die zum Teil tatsächlich bedeutend sind. |
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