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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

P. I. Tschaikowksy - Sinfonien Nr. 1 & 2
Seattle Symphony - G. Schwarz

(2013)
Naxos

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Pjotr Iljitsch Tschaikowksy - Sinfonien Nr. 1 & 2

Lohnende Wiederveröffentlichung

von Rainer Aschemeier  •  15. Januar 2013
Katalog-Nr.: 8.571225 / EAN: 747313122578

Dass Werke, die zu den allerschönsten im Œuvre eines Komponisten gehören, nicht immer auch zu dessen beliebtesten avancieren, sieht man oft genug, und nur selten einmal ändert sich etwas daran.
Im Falle von Tschaikowskis ersten vier Sinfonien – die im Vergleich zu seinen sehr populären Sinfonien 5 und 6 leider noch immer ein Schattendasein führen – scheint in den letzten Jahren aber immerhin ein wenig Schwung in die Sache gekommen zu sein: Immer mehr und vor allem immer prominentere Orchester und Dirigenten gehen dazu über diese herrlichen, melodienreichen Frühwerke Tschaikowskys einzuspielen.

Eine Aufnahme der Sinfonien Nr. 1 „Winterträume“ und 2 „Kleinrussische“, die bereits in den 1990ern beim US-amerikanischen Edel-Label „Delos“ das Licht der Welt erblickte, erscheint nun in einer Neuauflage unter dem Naxos-Banner in der umfangreichen „Seattle Symphony Collection“, die sich ganz der Dokumentation der umfangreichen Diskographie des Seattle Symphony Orchestra unter Leitung seines langjährigen Chefdirigenten Gerard Schwarz verschrieben hat.
Nun gehört das Seattle Symphony nicht ohne Grund zu den prominentesten Orchestern der USA und Gerard Schwarz war auch nicht ohne Grund ganze 26 Jahre lang Leiter dieses Ensembles. Ohne Zweifel gehört der Klangkörper aus Seattle zu den sinfonischen Spitzenkräften der Vereinigten Staaten und damit auch der Welt. Dabei war interessanterweise die russische Musik immer wieder im Focus dieses Orchesters, wovon Gesamtaufnahmen der Orchestermusik so manches russischen Komponisten (bevorzugt der russischen Romantiker) beredtes Zeugnis ablegen.

Und so gibt es hier auch nicht viel zu mäkeln: Schwarz und seine Seattler bieten auf dieser CD sauber und stilvoll eingespielte Versionen der ersten beiden Tschaikwosky-Sinfonien, die zumindest ich mit für die melodisch reizvollste Musik halte, die in Tschaikowksys reicher Hinterlassenschaft neben seiner Ballettmusik existiert. Noch fern von der Schwere und vom Pathos seiner sinfonischen Spätwerke sollten die ersten beiden leicht und tänzerisch daherkommen, die Zweite darf gern auch etwas nach Beethoven klingen.
Es ist vielleicht das (aus meiner Sicht) größte Manko dieser Einspielung, dass Schwarz diese Leichtigkeit nicht aufgreift. Er zählt diese Frühwerke unzweifelhaft zum gewichtigen sinfonischen Œuvre des 19. Jahrhunderts. Das erscheint nicht nur deswegen problematisch, weil die Werke selbst dieser Sichtweise inhaltlich nicht standhalten können, sondern auch deshalb, weil dadurch die Leichtigkeit und auch die Spritzigkeit verloren geht, die diesen Stücken innewohnen könnte.

Rein technisch gesehen sind die Sinfonien auf dieser CD jedoch sehr ansprechend und mit viel Charakter eingefangen worden Schwarz legt großen Wert vor allem auf die Behandlung der Tempi, die auch innerhalb der Sätze gelegntlich wechseln. Die Dynamik ist vorbildlich, die Streicher klingen schön satt und voll, die Holzbläser spielen deutlich besser als auf „moderneren“ Aufnahmen des Seattle Symphony aus den letzten Jahren und das Blech des Orchesters aus dem Norden der USA war seit jeher eine Klasse für sich.
Vergessen wir nicht, dass diese Aufnahmen aus den Jahren 1992/93 einst zu den Tschaikowsky-Pioniertaten gehörten, indem es damals noch nicht sehr viele Einspielungen dieser beiden sinfonischen Frühwerke gab. Schwarz und dem Seattle Symphony kann man dabei zugute halten, dass ihre Deutung auch 20 Jahre nach ihrer Entstehung absolut nicht zum „alten Eisen“ gehört, sondern auch aktuellen Aufnahmen noch gehörig Konkurrenz macht. Es gibt inzwischen zwar objektiv gesehen auch bessere Einspielungen dieser Werke, jedoch kaum zum günstigen Naxos-Preis.
Der Klang indes ist aus heutiger Sicht etwas dynamikschwach und auch weniger transparent, als man das heutzutage gewohnt ist. Delos gehörte damals zu den Pionierlabels der HiFi-Bewegung, konnte jedoch in diesem Ansinnen nie mit anderen US-Größen wie etwa Telarc oder Music Masters mithalten. Dennoch ist der Klang wiederum keinen Deut schlechter, als die Aufnahmen vieler Majorlabels wie etwa Deutsche Grammophon oder Philips ihn in jener Zeit anzulegen pflegten.

Fazit: Eine wirklich gute und lohnenswerte Wiederveröffentlichung zum fairen Preis. Die Einspielung ist vielleicht nicht gerade die Referenzklasse aus heutiger Sicht, gehört aber sicherlich auch heute noch zum oberen Drittel der für diese Werke verfügbaren Wiedergaben.

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