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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

"Schumann-Project" (13 CDs)
Eric Le Sage

(2012)
Alpha / outhere / Vertrieb: note 1

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"Schumann-Project" - Eric Le Sage (13 CDs)

Neue Werkschau auf beeindruckend hohem Niveau

von Rainer Aschemeier  •  1. Dezember 2012
Katalog-Nr.: ALPHA 813 / EAN: 3760014198137

Es wird ja höchste Zeit für die Weihnachtsgeschenke, und für all jene, die dabei auch an hochwertige Aufnahmen klassischer Musik denken, ist beim französischen Alpha-Label nun eine wunderbare CD-Box erschienen. Sie beinhaltet das gesamte Klavierwerk Robert Schumanns – ein Unterfangen, zu dem sich bislang nur sehr wenige Pianisten aufgeschwungen haben. Ein Schelm wer Böses dabei denkt, denn während Robert Schumanns Klavierwerk über jeden Zweifel erhaben ist und wohl zum Besten zählt, was in der Nach-Beethoven-Ära an Klaviermusik geschaffen wurde, gab und gibt es nur wenige Pianisten, die sich dazu bereit fanden, sich den immensen spieltechnischen Anforderungen auszusetzen, die der Komponist an seine Interpreten zu stellen pflegte.

Und so gibt es von Stücken wie etwa den „Kreisleriana“ op. 16 (mehr zu diesen speziellen Stücken siehe hier), der Fantasie op. 17, des „Faschingsschwanks aus Wien“ op. 26 und vieler anderer anspruchsvoller Stücke aus Schumanns Œuvre – wenn ich ehrlich sein soll – kaum eine Handvoll Einspielungen, die ich auch echt überzeugend finde. Stattdessen gibt es immer wieder in höchstem Maße entlarvende Aufnahmen selbst von großen Stars der Klavierszene, die an Schumanns halsbrecherischen Schwierigkeitsgraden schlicht scheitern.
Und so bleibt das Grundproblem bei Schumanns Klaviermusik, dass sie Interpreten benötigt, die in der Lage sind, jede noch so anspruchsvolle Hürde der Spieltechnik zu meistern, während immer noch genügend Potenzial auch auf der emotionalen Seite des Vortrags übrig bleiben muss, um Schumanns ebenfalls sehr anspruchsvolle Vortragsdynamik angemessen darstellen zu können.
Und spätestens in dem Punkt trennt sich dann endgültig die Spreu vom Weizen.

Ich für meinen Teil war bislang ein glühender Anhänger der Gesamteinspielung der Schumann-Klavierwerke durch den österreichischen Pianisten Jörg Demus, die jener in den 1970er-Jahren beim italienischen Label Nuova Era realisierte, und die für mich auch heute noch eine Referenzedition ist. Allerdings ist die klangliche Komponente der genannten Aufnahme wahrlich nicht das Gelbe vom Ei, sodass ich mir sehr gut vorstellen kann, dass es Leute gibt, die nach einer klanglich und interpretatorisch gelungenen Neuaufnahme suchen.

Eben jenes haben wir nun mit der hier vorliegenden Alpha-Box, welche die Gesamteinspielung des Franzosen Eric Le Sage vorstellt. Le Sage ist seit Jahrzehnten als bedeutender Schumann-Interpret bekannt, gewann unter anderem bereits 1989 den bedeutenden Robert-Schumann-Preis des Internationalen Robert-Schumann-Wettbewerbs für Klavier und Gesang. Somit ist es eigentlich erstaunlich, warum wir nicht schon früher in den Genuss dieser herrlichen Gesamtaufnahme kamen.

So soll es uns aber auch recht sein, denn durch den Realisierungszeitraum von Le Sages „Schumann project“ zwischen 2005 und 2009 konnten die Tonmeister des bekannt HiFi-bewussten Alpha-Labels auf das Beste der heutigen Tontechnik zurückgreifen. Und das ist mal der allererste Pluspunkt dieser Edition: Ein fantastisch natürlicher, ideal räumlicher und bärig-kraftvoller Klavierklang, wie man ihn sich kaum besser wünschen könnte. Hier ist tatsächlich die abgedroschene Phrase von dem Pianisten, den man mit geschlossenen Augen im eigenen Hörraum zu sein wähnt, einmal wieder fällig. Für mich zählen diese Aufnahmen zu den am besten klingenden Klaviertondokumenten, die ich bislang gehört habe. Einzigartig!

Was die Interpretation angeht, können wir von Eric Le Sages langer bisheriger Karriere als preisgekrönter Schumann-Interpret profitieren. Er hat eine klare, klangliche Vision und weiß exakt, wie „sein“ Schumann klingen soll. Obschon diese Box doch immerhin 13 CDs umfasst, vermag es Le Sage, das große Ganze im Blick zu behalten und führt uns Schumanns Klavierwerk in einem bemerkenswert konsistenten Duktus vor Ohren.
Techniker werden an Le Sages Vortrag die Exaktheit schätzen, die auch bei extrem schwierigen Passagen, wie sie etwa in den „Kreisleriana“, in der „Toccata“ op. 7 oder den „Symphonischen Etüden“ vorkommen, nie ernsthaft ins Wanken gerät. Man vergleiche etwa Le Sages meisterhaften Vortrag der siebten Kreisleriana (Vortragsbezeichnung „sehr rasch“) mit vermeintlichen Schumann-Granden wie etwa Radu Lupu in seiner DECCA-Aufnahme. Ich denke, da müssen einige Fachurteile revidiert werden – und zwar zugunsten Le Sages.

Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass auch Le Sage zuweilen an Grenzen stößt und bei der Bewältigung spieltechnischer Extremanforderung hin und wieder bemüht klingt. Doch ist er dabei ja zum einen in guter Gesellschaft, und zum anderen steht im Endeffekt immer die Erkenntnis, dass er immer alles exakt ausführt. Nie, wirklich nie, muss man irgendwo über verschleppte Tempi oder gar über „hingeschluderte“ Läufe klagen – ein Makel, der anderswo in Sachen Schumann leider eher Regel als Ausnahme zu sein scheint.
Erfreulicherweise ist Le Sage jedoch nicht nur wegen seiner flinken Finger erwähnenswert, sondern auch wegen seiner Klangkultur. Er nimmt „seinen“ Schumann – ganz ähnlich wie einst Jörg Demus – gern etwas klassizistisch, lässt nie zu viel romantische Schwelgerei aufkommen. Das ist immer dann besonders bemerkenswert und überzeugend, wenn Schumann, wie eben bei den „Kreisleriana“ oder den „Vier Fugen“ op. 72 auch klassizistisch komponiert hat.
Bei anderen Stücken, wie zum Beispiel bei den „Kinderszenen“, den „Waldszenen“, den „Abegg-Variationen“, „Carnaval“ oder „Papillons“, würde man sich den Vortrag auch ruhig etwas „romantischer“ im engeren Sinne wünschen. Hier vermittelt Le Sages Schumann-Deutung eine gewisse Unterkühltheit, die möglicherweise nicht nach jedermanns Geschmack ist.

Alles in allem bildet Le Sages Gesamteinspielung jedoch eine vorbildliche Werkschau, die man in dieser beeindruckend hohen Qualität so nicht alle Tage zu hören bekommt. Sein Spiel zeugt von immens hoher Spielkultur und weist auch stilistisch in die Zukunft. Und so können wir heute wieder hoffen, dass die Schumann-Interpretation mit Pianisten wie Eric Le Sage in eine neue, glanzvolle Epoche eintritt, die einiges von den Interpretationssünden der 1980er- und -90er-Jahre vergessen macht. Diese Box lohnt sich wirklich!

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