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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

A. Vivaldi - "Nuova Stagione" - Concerti
Gli Incogniti - A. Beyer

(2012)
Zig Zag Territoires / Vertrieb: note 1

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Antonio Vivaldi - Konzerte RV 808, 420, 431, 194, 440, 403, 235 und 517

Mit zwei Weltersteinspielungen!

von Rainer Aschemeier  •  6. November 2012
Katalog-Nr.: ZZT310 / EAN: 3760009293106

Es ist einfach unglaublich! Seit Jahrzehnten wird das umfangreiche Werk Antonio Vivaldis erforscht, und noch immer stößt man dabei auf bislang unentdeckte Schätze!
Allein über 500 Konzerte soll der „prete rosso“ komponiert haben – neben Massen von Oratorien, Opern und Kammermusik. Zwei neu entdeckte für Vivaldis Hauptinstrument, die Violine, wurden von der Musikwissenschaft gerade ausgewertet. Das renommierte Ensemble Gli Incogniti, das auf alten Barockinstrumenten musiziert, hat sie nun für das französische Label Zig Zag Territoires eingespielt.

Natürlich nehmen wir auch bei unserer Besprechung dieser CD zunächst die beiden „neuen“ Vivaldi-Konzerte unter die Lupe. Sie tragen die Ryom-Verzeichnis-Nummern 808 und 194. RV 808 ist ein Doppelkonzert für Violine und Orgel als Soloinstrumente mit dem typischen Orchester-Accompagnement Vivaldi’scher Prägung. Dabei ist das mit dem Orchester so eine Sache…
Von dem Konzert waren nämlich nur die Noten für die Solostimmen erhalten. Der Rest wurde rekonstruiert. Dass solche Herangehensweise angreifbar ist, dürfte logisch sein. Erfreulich ist aber immerhin, dass sich die oder derjenige, der für die Rekonstruktion verantwortlich zeichnete (im Booklet erfahren wir über die Person, die dahintersteckt, leider gar nichts…) zurückgehalten hat und wo es eben möglich war, die gesamte Struktur den beiden Instrumenten überlässt, von denen es auch gesichterte Stimmen gibt: Den Soloinstrumenten.
RV 808 ist ein wunderschönes, an Melodien reiches Konzert, dass der Neuentdeckung wohl würdig war. Ich bin ein großer Vivaldi-Fanatiker und kenne bestimmt 50 Konzerte dieses großen Komponisten, und RV 808 gehört ohne Zweifel mit zu den schönsten!

RV 194 entstand in Vivaldis 49. Lebensjahr. Es stammt somit aus demselben Jahr, in dem der Komponist seinen berühmten Konzertzyklus „Die Vier Jahreszeiten“ verfasste. Womöglich bezieht sich der Titel dieser CD „Nuova Stagione“ („Neue Jahreszeit“) darauf, dass dieses Konzert aus Vivaldis „Vier-Jahreszeiten-Jahr“ stammt. In der Tat zeigt es manche Ähnlichkeiten zu den Konzerten aus dem schwerst berühmten Jahreszeiten-Zyklus – sowohl strukturell, als auch was die haarsträubenden Virtuositätsansprüche an das Soloinstrument angeht. Was die reine Erfindung angeht, liegt RV 194 aber um Längen hinter Vivaldis Hauptwerk – und auch deutlich hinter dem soeben besprochenen RV 808 – zurück.

Die restlichen Konzerte auf dieser CD (RV 420, 431, 440, 403, 235 und 517) sind für unterschiedliche Soloinstrumente komponiert. Es gibt zwei Cellokonzerte, zwei Flötenkonzerte und je ein weiteres Stück für Violine sowie für Violine und Orgel.
Ich finde das Cellokonzert RV 403 besonders reizvoll, wegen seiner unverhohlenen Volkstümlichkeit, die zuweilen dem berühmten „Concerto alla rustica“ ähnelt. RV 517, ein Konzert für Violine und Orgel, ist erwähnenswert wegen der für Vivaldi eher untypischen Ausflüge in die Welt des Kontrapunkts.

Die Flötenkonzerte entpuppen sich – leider! – als die am wenigsten reizvollen dieser insgesamt unstrukturiert wirkenden Sammlung, die im Übrigen mit einem indiskutabel vor sich hin schwurbelnden aber de facto nichtssagenden Booklet-Text einhergeht. Er funktioniert nach dem Motto: Sage viel, erzähle nichts – Ein Ärgernis!

Die Interpretationen durch das Orchester Gli Incogniti unter Leitung Amandine Beyers sind für meinen Geschmack etwas brav und versprühen nicht die Spritzigkeit, die andere Ensembles, wie zum Beispiel „L’Arte dell’Arco“ oder die „Academia Montis Regali“ zu leisten imstande sind.
Da auf dieser CD auch der – bei Zig Zag Territoires ansonsten ja bekannt gute Aufnahmeklang – ausnahmsweise weit hinter seinen Möglichkeiten zurück bleibt, fällt es mit schwer, diese CD mit einer unumwundenen Kaufempfehlung zu entlassen.
Wirklich hörenswert ist das herrliche RV 808-Konzert. Der Rest ist – um ganz enrlich zu sein – nicht das Gelbe vom Ei, was auch für Klang und Interpretation der CD gilt.

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