György Ligeti - études pour pianoLigetis rasantes Verwirrspiel namens Etüdenvon Rainer Aschemeier • 3. Dezember 2012
Etüden sind so eine Sache: Fast jeder, der selbst ein Instrument spielt, kennt sie aus eigener, oft schrecklicher Erfahrung. Hirnlose, stumpfe, auf die bloße Bewältigung gelegentlich maschinell wirkender, Fingerkrampf erzeugender Vergewaltigungen der eigenen Hände und Sehnen ausgerichtete Musikstückchen, die auch dem begeisterten Schüler das Grausen lehren können. Vielleicht ist alles aber auch nur eine Frage der geistigen Einstellung: Das Üben von immer gleichen Bewegungsabläufen kann man auch als Meditation auffassen, die notwendige Beschränkung auf das Allernotwendigste als kreative Herausforderung. Und so wundert es nicht, dass sich die Etüde spätestens Ende des 19. Jahrhunderts zu emanzipieren begann. Zwar ist auch Ligeti – wie zu ahnen war – fern davon, der Etüde ein emotionales Gepräge zu verleihen, aber er füllt sie doch mit Leben und erkennt in ihr eine Menge Reflexionsebenen. Die Ligeti’schen Etüden sind kontemplative Meditation, irisierende Illusion, irrwitziger Lärm, pianistische Herausforderung und musikgeschichtliche Reflexion – Letzteres übrigens durchaus auch mit eingewobenem Humor. In jedem Fall sind sie große Musik, die die Beschäftigung mit ihr lohnt – allerdings dürfte die Befriedigung vor allem für Diejenigen groß sein, die den Notentext bei der Hand haben, um anhand des Geschriebenen Ligetis faszinierende Tricks und Kniffe auf frischer Tat ertappen zu können. Am besten hört man diese CD aber ohne den etwas überkandidelten Booklet-Text zu lesen, denn Ligetis Etüden sind vor allem einfach erst einmal tolle Musik, während sie der Booklet-Text vor allem anderen als intellektuelle Herausforderung preist. Aber es ist diese Einstellung zur Neuen Musik, die so vielen Leuten den Zugang zu ihr erschwert. Deshalb: Hören! Verstehen muss man gar nicht unbedingt – zumal man es auch kaum kann, wenn man sich nicht selbst auf dem schwindelerregend hohen Niveau eines Interpreten wie Thomas Hell bewegt. Ligetis Etüden sind Klangrausch pur. Sie können und sollten so genossen werden: Als Rausch, als wilde tour de force. Dann macht so geniale Neue Musik wie diese erst richtig Spaß! |
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