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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

A. Kraft, C. Stamitz & A. Wranitzky - Cellokonzerte
Prager Kammerorchester; Michal Kaňka (Cello)

(2012)
Supraphon / codaex

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Anton Kraft, Carl Stamitz & Anton Wranitzky - Cellokonzerte

Aus Böhmen kommt die Musik...

von Rainer Aschemeier  •  17. Oktober 2012
Katalog-Nr.: SU 4108-2 / EAN: 099925410827

Bei dem ehemaligen Nationallabel Tschechiens, der renommierten Plattenfirma Supraphon, erschien unlängst eine sehr interessante Zusammenstellung von Cellokonzerten tschechischstämmiger Komponisten, die aber samt und sonders im deutschsprachigen Raum wirkten.
Anton Kraft war ein Hansdampf in allen Gassen: Er muss ein sehr umtriebiger und rühriger Musiker gewesen sein. Er avancierte nicht nur zum Ersten Cellisten und Barytonisten am Hofe des Grafen Esterházy, sondern lernte im Laufe seiner langen Karriere auch die drei Genies seines Jahrhunderts kennen und musizierte mit ihnen zusammen: Haydn, Mozart und Beethoven!
Ein Mozart-Intimus war auch Anton Wranitzky, den fleißige Mozart-Biographie-Leser als einen der begabtesten Schüler des Wiener Genies kennen. Er schrieb nach seiner Ausbildung bei Mozart vor allem Violinkonzerte – und rätselhafterweise ein einziges Cellokonzert. Auf dieser CD ist es vertreten.
Carl Stamitz gehört zu den weithin bekannten und beliebten Vertretern der unter anderem von seinem Vater Johann Stamitz begründeten Mannheimer Schule der Hofkapelle des musikliebenden Mannheimer Fürsten Karl Theodor. Auch er stand mit der Familie Mozart in direktem Kontakt – wobei überliefert ist, dass Wolfgang Amadeus Mozart – der mehr von den Künsten des Stamitz-Rivalen Christian Cannabich hielt – sowohl Werk als auch Persönlichkeit Stamitz‘ nicht besonders schätzte.

Eine illustre Ansammlung von Komponisten ist das hier also, und ein höchst willkommener Einblick in die Solokonzertliteratur der Mozart- und frühen Nach-Mozart-Ära!
Es mag daher auch kaum verwundern, dass wir hier drei Konzerte zu Ohren bekommen, die ganz offenkundig nach Haydn’schen und Mozart’schen Strickmustern vorgehen. Vor allem Kraft und Wranitzky bleiben nahe an den großen Vorbildern und komponierten melodisch reizvolle, aber auch streng genommen eher erfindungsarme Konzerte, bei denen man sich trefflich vor Ohren führen kann, wie herausragend und weit vor seiner Zeit Mozart im Vergleich zu den Komponisten seiner Epoche Musik geschrieben hat.
Wer keine revolutionären Meisterwerke erwartet, bekommt vor allem mit dem Kraft-Konzert ein höchst unterhaltsames und für seine Zeit ziemlich pompöses, festliches Cellokonzert serviert, das große Freude und viel Unterhaltung bereithält.

Erwartungsgemäß ist der Stil von Carl Stamitz weit weniger von Haydn und Mozart beeinflusst, als vielmehr von den Komponisten der Mannheimer Schule – insbesondere natürlich von dem seines Vaters Johann Stamitz.
Carl Stamitz‘ Cellokonzert Nr. 2 ist ein munteres Paradebeispiel des Solokonzerts in der typischen Mannheimer Manier – inklusive zahlreicher aufbrausender crescendi, für die die Mannheimer Hofkapelle so berühmt war, dass in ganz Europa erzählt wurde, junge Damen würden im Konzert schon einmal in Ohnmacht fallen, wenn die Hofkapelle ihre meisterhaften crescendi vollführte (bei denen die Musiker sich stets langsam von ihren Sitzplätzen zu erheben pflegten) – das erinnert doch stark an die „Beatlemania“ späterer Zeiten.

Fazit: Alle drei hier zu hörenden Konzerte haben ihre Qualitäten und sind dabei im positiven Sinne nicht anspruchsvoll an ihr Publikum. Soll heißen: Das kann jeder gut und gerne hören, der auch Haydn und Mozart mag.

Dass dies ein Genuss auf ganzer Linie ist, dafür sorgt ein glänzend aufgelegtes Prager Kammerorchester, das hier eine wahrlich meisterhafte Darbietung mit offenkundig großer Musizierfreude abgeliefert hat. Zwar spielt es auf modernen Instrumenten und klingt eher nach „Academy of St. Martin-in-the-Fields“ als nach „Concentus Musicus“, doch weiß der pure Spaß, den die Musiker hier offenkundig haben und ihr fantastisches Zusammenspiel, gepaart mit einem wunderbar weichen Streicherklang einfach rundum zu begeistern.

Begeisterungsfähig bin ich auch wegen des großartig eingefangenen Sounds dieser Aufnahme. Das ist eine sehr brillante und dabei wunderbar warme Klanglichkeit, die die Tonmeister des tschechischen Rundfunks hier veranstaltet haben. Der Bass hat Wumms, die Flöten klingen offen in den Höhen ohne überbrillant zu sein, alles tönt einfach sehr naturgetreu. Einzig der Raumklangaspekt wirkt etwas künstlich, fast wie eine Studioumgebung – obwohl die Konzerte in der Klosterkirche des Konvents St. Agnes in Prag eingespielt wurden.

Gibt es auch etwas, was mich nicht so begeistert? Tja, da muss ich leider den Solisten dieser Aufnahme, den an sich arrivierten Cellisten Michael Kanka, nennen. Er ist vor allem bei schnellen Läufen und hoch intonierten Stellen oft und schnell an der Grenze seiner solistischen Fähigkeiten angelangt, was doch ein beachtlicher Wermutstropfen in einem ansonsten süffigen Wein ist.

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