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The Listener

Blog für klassische Musik und mehr! ...seit 2003

Hommage á Clara Schumann
Katharina Deserno (Cello) & Nenad Lečič

(2012)
Kaleidos Musikeditionen / musikeditionen.de

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Hommage á Clara Schumann

Entdeckungen am laufenden Band

von Rainer Aschemeier  •  28. September 2012
Katalog-Nr.: KAL 6317-2 / EAN: 4260164631724

Eins vorweg: Der Titel dieser CD könnte suggerieren, dass es sich bei dieser wunderbaren Kammermusikveröffentlichung des kleinen Labels Kaleidos Musikeditionen um eine Anthologie handelt, die ausschließlich aus Stücken Clara Schumanns besteht. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr bezieht sich der CD-Titel auf den Werktitel einer der auf dieser Kaleidos-Novität vorgestellten Kompositionen; doch dazu später mehr.

Immer noch wissen viele Klassik-Hörer nicht, dass Clara Schumann neben ihrer weithin bekannten Laufbahn als virtuose Pianistin und natürlich auch als Ehefrau Robert Schumanns auch selbst komponierte. Sie gehört zu den dramatischsten Episoden im Leben der Schumanns: Die Zeit, in der sich Clara Robert zuliebe von der Komposition abwandte und fortan eher ein Schattendasein neben ihrem Ehemann führen sollte.
Man kann an dieser Situation aus heutiger Zeit viel herumkriteln. Hätte Robert Schumann seine hochbegabte junge Frau nicht eher ermuntern sollen, statt sie dazu zu drängen, das Komponieren aufzugeben?
Diese Sicht der Dinge ist nicht nur höchst gegenwärtig, sondern auch ungerecht: Gibt es doch Gemeinschaftswerke beider Ehepartner, gibt es doch Bearbeitungen Robert Schumanns von Claras Werken, gibt es doch immer wieder Stücke Robert Schumanns, die Themen seiner Frau Clara als musikalische Zitate beinhalten.

Vielmehr sollte man sich die gesellschaftliche Situation des 19. Jahrhunderts vor Augen führen, in der hochbegabte Frauen schlicht nicht vorgesehen waren. Frauen, die mehr anstrebten als eine „Karriere“ als Ehefrau und Mutter, wurden als „nicht normal“ empfunden.
So erging es auch Fanny Hensel, der Schwester Felix Mendelssohn Bartholdys. Auch Sie wurde genötigt, ihre vielversprechende Laufbahn als Pianistin und Komponistin mehr oder weniger einzustellen.

Und so muss man die vorliegende CD-Neuheit unter diesen Vorzeichen begreifen: Es geht hier durchwegs um Komponistinnen – und zwar um solche, die in irgendeiner Beziehung zu Clara Schumann standen oder sich heute ihrem Werk verbunden fühlen.
Da gibt es Spannendes zu entdecken, so zum Beispiel die Romanze op. 1 Nr. 1 der Kölner Komponistin Sophie Seibt. Über sie ist so wenig Gesichertes in Erfahrung zu bringen gewesen, dass die Musikwissenschaft heute noch nicht einmal ihr genaues Geburts- oder Sterbedatum weiß. Ihre beeindruckend qualitätvolle und melodisch erfindungsreiche kurze Romanze ist womöglich die größte Rarität auf der CD.
Robert Schumann schrieb einst sehr wohlwollend über Seibts Romanze in seiner Neuen Zeitschrift für Musik – auch das will so gar nicht zu dem Schumann passen, der angeblich die Kompositionslust von Frauen nicht goutieren wollte.

Von bemerkenswerter Schönheit ist auch die Sonate für Klavier und Violoncello op. 17 von Luise Adolphea Le Beau. Sie war eine Zeitgenossin und Schülerin Clara Schumanns (die sich von ihrer Lehrerin schikaniert fühlte) und wurde selbst zu einer namhaften Pianistin ihrer Zeit. Ihre Sonate ist wahrscheinlich die lohnenswerteste Entdeckung, die man in dem vorliegenden CD-Programm machen kann.

Das Stück „Hommage á Clara Schumann“ aus der Feder der 1975 geborenen, weißrussischen Komponistin Oxana Omelchuk ist neben dem Stück „Epilogue“ von Rebecca Clarke ein Beitrag aus dem Lager der Neuen Musik. Omelchuk fokussiert in ihrer viersätzigen, rund 13-minütigen „Hommage“ die Wendepunkte im Leben Clara Schumanns. Ihre spröde Komposition umfasst auch Melodrame – also gesprochene Rezitate zu Musik – aus Clara Schumanns Briefen. Das Werk ist – wie gesagt – eher spröde, vermittelt aber dadurch auch ein Gefühl für die Brüche in Claras Lebenslauf, die in der öffentlichen Rezeption zu wenig reflektiert werden.
Mit „Drei Romanzen op. 22“ und „Fantasia“ sowie „Capriccio“ bekommen wir im Übrigen auch drei Stücke von Clara Schumann beziehungsweise Fanny Hensel zu hören.

Entdeckungen gibt es auf dieser CD überall, so auch bei den Interpreten: Das Duo Katharina Deserno (Cello) und Nenad Lečič (Klavier) entpuppt sich als wahrlich großartige Kammermusikformation. So hervorragende Kammermusikaufnahmen hört man nicht alle Tage: Lečič überzeugt als technisch sehr versierter, dynamisch ungemein differenzierungsfähiger Pianist und Deserno fasziniert durch ein sehr intonationssicheres, klangschönes und dazu erfreulich wenig auf Effekthascherei bedachtes Cellospiel. Das sind im besten Sinne neutrale Interpretationen, die nicht den Interpreten in den Vordergrund stellen, sondern das Werk. Zudem pflegen sie ein ideales Zusammenspiel. In der Tat: In der Kombination Cello/Klavier gehört diese CD in Sachen interpretatorischer Ausführung mit einigem Abstand zum Besten, was ich im laufenden Jahr bisher gehört habe.

Auch klanglich macht die Veröffentlichung einen sehr guten Eindruck: Wie schön dreidimensional hier alles klingt! Der Aufnahmeraum wird beinahe visuell sichtbar: wie sich der Klang nach oben entfalten kann, wie auch die Tiefe des Raumes erlebbar wird… das ist nicht weniger als grandiose Tonmeisterarbeit, die man sich öfter wünschen würde. Somit kann die CD auch als warme Empfehlung für HiFi-Enthusiasten durchgehen.

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