P. I. Tschaikowksy - Sinfonien Nr. 1-3 (2012)
• • • • Pjotr Iljitsch Tschaikowsky - Sinfonien Nr. 1-3Gergievs Londoner Früh-Tschaikowsky - eine Edition mit vielen Qualitäten!von Rainer Aschemeier • 24. September 2012
So ziemlich jedes Orchester von Weltrang hat ja heutzutage sein eigenes CD-Label. Das London Symphony Orchestra war nicht nur eines der ersten Ensembles, die mit ihrer eigenen Veröffentlichungsreihe auf den Markt drängten, die CDs, die dabei herauskamen, gehören vielmehr bis heute auch zu den besten Ergebnissen dieses Trends zur Selbstvermarktung im Orchestersektor. Dass hohe Qualität in diesem Business nicht selbstverständlich ist, zeigt sich allein schon dadurch, dass viele Sammler von vornherein abwinken, wenn es um Aufnahmen orchestereigener Labels geht. Das verbreitete Vorurteil: Der Sound stimmt oft nicht, die Interpretationen sind selten wirklich gut, und die meisten der eingespielten Werke gibt es anderswo oft einfach in deutlich besseren Versionen. Nun erschien bei „LSO live“ eine für mein Empfinden besonders rühmliche Edition, nämlich eine Doppel-SACD mit den drei ersten, frühen und nicht besonders beliebten Sinfonien Pjotr Iljitsch Tschaikowskys. Wie gesagt: Besonders beliebt sind die nicht gerade. Dabei haben sie doch unbestreitbar ihren besonderen Reiz – vor allem für Leute wie mich, die Tschaikowskys betonschwere Spätwerke nur mit Mühe ertragen können, diese Zähflüssigkeit der Fünften, dieses Pathos der nicht zu unrecht „Pathetique“ getauften Sinfonie Nr. 6. Das ist schon ziemlich schwer verdaulich, und – wenn ich mir diese Wertung gestatten darf – in meinen Ohren auch nicht immer geschmackssicher. Die ersten drei Sinfonien hingegen sind noch beseelt von einer ganz wunderbaren Leichtfüßigkeit, einer tänzerischen Qualität, die sonst am Ehesten in Tschaikowskys durchwegs hervorragender Ballettmusik auftaucht. Sie markieren noch kein „Ringen“ mit der Form, und auch, was sonstige pathosbeladene Elemente angeht, sind die Sinfonien 1-3 im Schaffen Tschaikowskys noch zu den wenig betroffenen Werkgruppen zu zählen. Erfreulicherweise sah das auch Valery Gergiev so, der bekanntermaßen nicht nur seit ewig und drei Tagen musikalischer Leiter am weltberühmten Mariinsky-Theater in St. Petersburg ist, sondern eben auch seit 2007 Chefdirigent des London Symphony Orchestras – was außerhalb des Vereinigten Königreichs allerdings auf erstaunlich geringe Aufmerksamkeit gestoßen ist. Besonders die Dritte, auch „Polnische“ genannte Sinfonie erlebt unter Gergievs Stabführung eine veritable Sternstunde. Gergiev legt in ihrem Kopfsatz kunstfertig und äußerst transparent die kontrapunktischen Qualitäten der Musik frei und kann damit in sehr ansprechender Weise die „Architektur“ der Musik anschaulich wie selten verdeutlichen. Gleichzeitig sorgt das hervorragend disponierte London Symphony Orchestra dafür, dass die Vitalität und die herausragende melodische Erfindung dieser Musik so überzeugend rüberkommen, wie bislang nur selten auf Tomträger vernommen. Diese Einspielung ist ein Highlight für sich! Der Sound der Aufnahme gehört ebenfalls mit zu den besseren Ergebnissen der „LSO live“-Reihe und wurde (wie fast alle CDs der einschlägigen Orchesterlabels) von dem für seine routiniert-gute Fließbandarbeit bekannten Neil Hutchinson auf CD gebannt. Das ist ein ehrlicher, sehr transparenter und garantiert nicht geschönter Livesound, der einige Qualitäten hat. Wer allerdings Hochglanzpomp auch von der Klangfront erwartet, muss sich anderswo umsehen. |
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