R. Vaughan Williams - Konzert für zwei Klaviere / Sinfonie Nr. 5 (2012)
• • Ralph Vaughan Williams - Konzert für zwei Klaviere / Sinfonie Nr. 5Kurioser Schweizer Vaughan Williams - eine CD, die Rätsel aufgibt...von Rainer Aschemeier • 9. August 2012
Merkwürdige Dinge gehen vor im schweizerischen Winterthur. Anno 2009 wurde dem dort ansässigen, bereits 1629 (!) gegründeten Orchester „Musikkollegium Winterthur“ ein schottischer Chefdirigent verordnet – und nun fängt eben dieser an, auch noch Musik von den britischen Inseln zu importieren! Nun folgt also eine Vaughan Williams-Einspielung aus der Schweiz. Neben dem Musikkollegium Winterthur unter ihrem GMD Douglas Boyd musiziert auch das hochgradig prominente Klavierduo Tal & Groethuysen, das wohl den eigentlichen „Starfaktor“ bei dieser ansonsten unkonventionellen Besetzung repräsentiert. Stellt sich also die Frage, ob diese CD ihr Geld wert ist, denn schließlich gibt es beide eingespielten Stücke bereits vielfach auf dem CD-Markt, allerdings zumeist von britischen Orchestern und Dirigenten eingespielt, was aber – wie wir sehen werden – nichts Schlechtes sein muss. Ich persönlich, der ich seit nunmehr 23 Jahren ein absoluter Hardcore-Vaughan-Williams-Fan bin und deutlich über 100 Vaughan Williams-CDs in meiner Sammlung mein Eigen nenne, stehe angesichts dieser Novität aus dem Hause Sony Classics bekennendermaßen unter Schock! Womit wir beim nächsten Streitfall wären – der Interpretation. Noch nie, wirklich noch nie, habe ich einen Dirigenten erlebt, der sein Orchester dermaßen durch Vaughan Williams-Stücke peitscht. Vor allem im ersten Satz des Konzerts für zwei Klaviere, aber auch im Scherzo der fünften Sinfonie ist das auffällig. Es fällt vor allem dadurch auf, dass der Musik der für Vaughan Williams-Scherzi so typische „umpah-umpah“-Rhythmus völlig abhanden kommt, es fällt aber auch dadurch auf, dass das Orchester konsequent am Limit musiziert. Die Musiker wirken tatsächlich wie gepeitschte Rennpferde, die es – koste es was es wolle – irgendwie durch das Musikstück schaffen müssen. Hauptsache ins Ziel! Nehmen wir zum Beispiel als Referenz einmal die fünfte Sinfonie im Dirigat des Komponisten selbst (1952er Rundfunkaufnahme der BBC mit dem BBC Symphony Orchestra, 2009 erstmals auf CD veröffentlicht beim Somm Recordings). Wenn man davon ausgehen kann, dass Ralph Vaughan Williams seine Sinfonie anno 1952 so dirigiert hat, wie er es für richtig hielt, so muss man feststellen, dass Douglas Boyd bei dieser jüngsten Einspielung des Stücks auf Sony Classics beim Scherzo eine gute halbe Minute schneller ist, als der Komponist, bei den drei anderen Sätzen hingegen mindestens eine Minute (oft mehr) langsamer. Und dabei galt Vaughan Williams selbst schon als tendenziell „flotter“ Dirigent seiner Werke. Wow! Diese CD ist ein echter Schock für alteingesessene Vaughan Williams-Fans, wie mich. Und ich gebe zu: Ich persönlich verstehe den Ansatz der hier musizierenden Interpreten in keinster Weise. Soll das der Vaughan Williams-Sound des 21. Jahrhunderts sein? Dann kann ich nicht verhehlen, dass ich etwas erschreckt bin. Fazit: Eine CD, die vor dem Kauf unbedingt gewissenhaftes Probehören bedarf! Ich kann mir kaum vorstellen, wie man sich mit der hier zu hörenden „High-Speed-Version“ des Konzerts für zwei Klaviere anfreunden kann. Die fünfte Sinfonie in der kontrastierenden „so-langsam-wie-möglich“-Lesart mag hingegen ihre Freunde finden. Der Sound ist für mein Empfinden nicht optimal ausbalanciert. Alles in allem halte ich diese Novität aus dem Hause Sony Classics für eine Einspielung, die man eher kurios nennen könnte als gut. |
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