C. Saint-Saëns - Der Karneval der Tiere / M. Ravel - Ma mère l'oye (2012)
• • • • Camille Saint-Saëns - Der Karneval der Tiere / Maurice Ravel - Ma mère l'oyeFür Rasselbanden und Tagträumervon Rainer Aschemeier • 7. August 2012
Der Verlag Kaleidos Musikeditionen aus der westfälischen Kleinstadt Nordwalde ist eine spannende Adresse! In den letzten Monaten und Jahren erschienen dort immer wieder spannende Musik-CDs, deren „Hörwert“ sich mindestens ebenso oft aus dem zugrunde liegenden Programm ableiten ließ, wie aus der Musik, die sie transportierten. Im Juli erschien nun eine Novität aus der Reihe „Kaleidos Kinderklassik“. Sie beinhaltet den „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saëns und „Ma mère l’oye“ (deutsch also „Meine Mutter, die Gans“) von Maurice Ravel. Über das famose Stück von Camille Saint-Saëns hatte ich erst im Frühjahr anlässlich einer grandiosen Wiederveröffentlichung der EMI berichtet (Rezension siehe hier) und mich dabei dahingehend geäußert, dass ich es nach wie vor für eines der amüsantesten Werke der Klassik überhaupt halte. Es hält auch viel Schmunzelpotenzial für Erwachsene bereit. Bei Kaleidos liegt das Stück nicht in der bekannten Version für Kammerorchester vor, sondern in einer Fassung für zwei Klaviere in der Interpretation des Klavierduos „La Lueur“. Ebenso verhält es sich mit dem nicht ganz so populären Ravel-Stück. Saint-Saëns hat seiner anarchischen Tierkarneval-Komposition, die der sonst so formstrenge Franzose zeit seines Lebens unter Verschluss hielt und nur für Privataufführungen freigab, keinen Text beigefügt. Trotzdem sind viele Versionen mit Text erhältlich, die sich in den meisten Fällen dezidiert an Kinder richten. Eckels holte in seiner Story das Stück aus dem 19. Jahrhundert in unsere Zeit. In seiner Fassung des Stoffs wundern sich die Tiere im Kölner Zoo über das Gejohle und Gekreische beim Kölner Karneval. Kurzerhand beschließen sie, sich selbst zu verkleiden und einfach mitzumachen. Da schlüpfen dann plötzlich Springmäuse in Hühnerkostüme und Affen reüssieren als Zebras, Pferde und Gnus. Für schon etwas ältere Kinder im Alter zwischen acht und zehn Jahren ist der Text gut verständlich und vor allem schön schräg und komisch. Eckels hat es vielleicht nicht ganz geschafft, dem hintergründigen Witz der Musik eine kongeniale Geschichte gegenüberzustellen, aber witzig ist seine Story allemal – und mir persönlich gefällt vor allem, dass sie nicht so „brav“ ist, wie manch anderer Text, den man sonst auf sogenannten „Kinderklassik“-CDs zu hören bekommt. Schauspieler Helmut Thiele brilliert vor allem an jenen Stellen, bei denen er in die verschiedenen Tier-Rollen schlüpfen muss. Wenn sich zum Beispiel der oberlehrerhafte Uhu mit seiner Frau als Löwe verkleidet und sich über einen Hecht im Bikini wundert, wenn Thiele in „tierischem Auftrag“ japst, kreischt, lispelt, dann kann er sein ganzes Repertoire an Ausdrücken gekonnt vermitteln. Bei Ravels „Ma mère l’oye“ werden die Originalmärchen aus der dem Stück zugrundeliegenden Märchensammlung von Charles Perrault vorgelesen. Helmut Thiele leitet diese Texte – die ihrem Alter gemäß nicht so frech und witzig, sondern eben „klassisch“ und märchenhafter angelegt sind, mit gekonnten und verständlichen Erläuterungen ein. In meinen Ohren ist dieser Teil der CD das eigentliche Highlight: Die Texte sind kurz und poetisch, häufig weisen sie ein „offenes Ende“ auf – und dann kommt die herrliche Musik. Das schafft Raum zum Träumen, für die eigene Imagination. Kurz und gut: Diese CD hat für jeden etwas: Kinder, die sich ihren Tagträumen hingeben möchten, finden bei „Ma mère l’oye“ die passende Umgebung. Für die, denen es nicht wild genug sein kann, sind die verkleideten Tiere des Saint-Saëns-Stücks wahrscheinlich genau das Richtige. Zum Schluss möchte ich noch ein Manko ansprechen, und das sehe ich bei der Musikinterpretation. Dem Klavierduo „Duo La Lueur“ kann man zwar keine spieltechnischen Mängel oder irgendwelche groben Schnitzer vorwerfen. Ich bin aber der Meinung, dass sowohl Saint-Saëns‘ Stück als auch jenes von Ravel weitaus mehr dynamische Feindifferenzierung zuließe. Der Vortrag des Duos La Lueur ist mir persönlich oft zu gleichförmig. Man wünschte sich, dass ein „forte“ auch mal richtig kracht, dass ein „piano“ mal ganz, ganz leise ist, doch hier sind diese Differenzierungsmöglichkeiten meines Erachtens zu wenig ausgeschöpft worden. Allerdings muss man auch sehen, was diese CD will: Sie will sicher keine neue Referenzedition sein, sondern sie will Kinder für klassische Musik begeistern – egal ob Rasselbande oder Tagträumer. Und das kann sie – allerdings hauptsächlich dank Helmut Thieles engagiertem Beitrag – vortrefflich. |
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