J. Massenet - Ballettsuiten
Academy of St. Martin-in-the-Fields
(2012/1997)
Brilliant Classics / codaex
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Was Leichtes für Zwischendurch
von Rainer Aschemeier • 22. Juli 2012
Katalog-Nr.: 94355 / EAN: 5028421943558
Jules Massenet teilt das gleiche Schicksal wie seine Zeitgenossen Ruggiero Leoncavallo und Pietro Mascagni: Sein heutiger Ruhm gründet sich auf eine einzelne Oper – der Rest des kompositorischen Werks wird praktisch nie aufgeführt.
Vielleicht muss man sagen, dass es im Falle Massenets sogar noch ein wenig schlimmer ist, denn er ist nicht wegen einer ganzen Oper bekannt (am bekanntesten dürfte wohl seine „Werther“-Vertonung sein), sondern wegen eines einzigen, recht kurzen Zwischenspiels aus einer Oper. Gemeint ist natürlich die auf zahllosen Klassik-Samplern verteretene „Meditation“ aus der Oper „Thaïs“. Auch wenn jenes Massenet-Vorzeigehäppchen eine schmalztriefende Paradeschnulze sondergleichen ist, muss man doch zugestehen, dass man sich seinem Charme kaum entziehen kann – ganz gleich, wie sehr man sonst auch der hohen Kunst huldigt.
Nun zeigt uns eine neue Brilliant Classics-CD mal eine andere Seite des hochgradig berühmten, aber doch so unbekannten Jules Massenet. Die CD bringt uns Aufnahmen des renommierten capriccio-Labels aus dem Jahr 1997 wieder zu Gehör. Und die haben es in sich!
Die Academy of St. Martin-in-the-Fields musiziert hier unter der wie (fast) immer fabelhaften Leitung ihres Gründers Sir Neville Marriner, der bekanntermaßen neben seinen vielen hoch dekorierten Aufnahmen von „ernsthafter“ Musik aus aller Welt immer auch einen ausgeprägten Hang zum „leichten“ Repertoire hatte.
Und so gesellt sich diese neue CD mit Ballettmusik aus dreien von Jules Massenets 17 Opern (neben zahllosen anderen szenischen Werken, die faktisch Opern sind, die Massenet aber anders benamste) neben Marriners vorzügliche Meisterleistungen, wie etwa die Einspielungen der Ouvertüren Franz von Suppés oder der Ouvertüren Jaques Offenbachs.
Moment mal: Massenet neben Offenbach? Tun wir da nicht einem Hauptvertreter des ausgehenden Grand Opéra-Zeitalters unrecht?
Ich denke nicht, denn Massenets Ballettmusiken – das zeigt die vorliegende CD – gehören ganz klar zu der Fraktion, die im anglophonen Bereich häufig als „Light Classical“ tituliert wird.
Und so vergehen die rund 64 Spielzeitminuten dieses Albums wie im Flug und zaubern einem einfach ein Lächeln auf’s Gesicht.
Natürlich ist das nicht besonders „substanzhaltige“ Musik, natürlich ist das nicht die hehre Kunst, aber es erinnert uns auch daran, wozu die Oper einst erfunden wurde: Nämlich zur Unterhaltung!
Und zu unterhalten versteht Massenet mit dieser Musik vortrefflich. Dazu trägt auch bei, dass Marriner und seine Academy Massenets Ballettmusik ebenso ernst nehmen, wie die ganz „Großen“ der Klassik.
Man höre sich beispielsweise einmal an, wie viel Akribie in der enormen Dynamikpalette steckt, die Marriner hier aus seinem Orchester herauskitzelt. Und spätestens, wenn im „Andante religioso“ aus der Ballettmusik zu „Thaïs“ eine Kirchenorgel erklingt, merkt man zudem, wie viel auch klangtechnischer Aufwand hierbei betrieben wurde.
In der Tat klingt die Einspielung auch 15 Jahre nach ihrer Entstehung zeitlos exzellent und kann sich jeder heutigen Konkurrenz stellen. Die Höhen sind herrlich brilliant, die Mitten weich und samtig, das Blech glänzt auf Hochglanz – lediglich im Bass fehlt es etwas an finalem „Wumms“, den insbesondere die Aufnahmen der Ballettmusik zu den Opern „Cendrillon“ und „Le Cid“ (wunderbar „künstliche“ pseudospanische Atmosphäre“, lädt aus heutiger Sicht zum Schmunzeln ein, hat aber viel Charme) gut gebrauchen könnten.
Fazit: Sicher etwas für die leichten Momente „zwischendurch“, dies aber in höchster Vollendung. Daher sollte, wer auf „leichte Klassik“ steht, hier bedenkenlos zugreifen können.